Kaiser Maximinus Thrax (Maximinus = der große Kleine = Emporkömmling; Thrax = der Thraker) steht mit seiner gewaltsamen Machtergreifung am Beginn der Ära der sogenannten Soldatenkaiser, die nach dem Ende der Severer-Dynastie im frühen dritten Jahrhundert für ca. fünf Jahrzehnte Rom ihren Stempel aufdrückten. Dieser Zeitraum wird im vorliegenden Buch von Jan Eschbach (Autor) und Stefano Borin (Zeichner) in militärischer Hinsicht betrachtet.
Weil allerdings die sich z.T. wandelnden Charakteristika des Militärs oft in engem Zusammenhang mit der unruhigen geopolitischen Situation im 3. Jahrhundert stehen, wird dem Leser hier auch so manches über die zunehmend schwierigen Lage geschildert, in die Rom dazumal schlitterte; als nämlich die Germanen im Nordosten und die Parther/Sassaniden im Südosten gleichzeitig in einer bis dahin kaum gekannten Heftigkeit einen Großangriff nach dem anderen starteten, während im Reichsinneren Machtkämpfe tobten, in denen das von Usurpatoren mit finanziellen Zuwendungen bedachte Heer längst eine entscheidendere Rolle als der Senat in Rom spielte. Ein Umstand, der einerseits zu einer gesellschaftlichen Aufwertung des Soldatenberufs führte, andererseits aber zunehmend negative Auswirkungen auf den Staatshaushalt und somit auf die Funktionsfähigkeit des Staates insgesamt hatte. Diese hier verstärkt einsetzende Entwicklung dürfte dann in der Spätantike einer der Gründe für den Zusammenbruch des Römischen Reichs gewesen sein (so wie ja absurd hohe Militärausgaben viel später auch die Sowjetunion endgültig ruinierten).
Besonderes Augenmerk widmet Jan Eschbach dem sogenannten Harzhornereignis; also einer Schlacht zwischen Römern und Germanen zur Zeit von Maximinus Thrax, deren Austragungsort man seit 2008 archäologisch untersucht. Diese ursprünglich in Vergessenheit geratene Auseinandersetzung war es auch, welche das Interesse an der römischen Armee des 3. Jahrhunderts jüngst bei Forschern und Laien anregte.
Die beiden Hauptschwerpunkte des Buchs sind allerdings die Ausrüstung der Legionäre und Hilfstruppenangehörigen sowie die Organisation des Heeres. Wer hätte etwa gedacht, dass bis zu 70 % der von ihrem Namen her als reine Infanteriekohorten geführten Einheiten in Wirklichkeit teilberitten gewesen sein könnten? Interessant ist ebenfalls, dass laut zeitgenössischen Quellen rote Tuniken als Tapferkeitsauszeichnungen verliehen wurden. Und welcher Römerbegeisterte weiß schon, dass z.B der berühmt-berüchtigte Knotenstock der Centurionen - die vitis - sich im frühen dritten Jahrhundert zu einem geraden Stock mit einem halbkugeligen Knauf wandelte (ähnliches gibt es heute noch in der britischen Armee)?
Solche und ähnliche Details machen das Buch in meinen Augen besonders interessant; zu oft wurde nämlich von den Autoren ähnlicher Publikationen der Aspekt vernachlässigt, dass sich die römische Armee im Laufe der Zeit in manchen Bereichen deutlich wandelte. Wobei zu sagen ist, dass es meines Wissens im deutschsprachigen Raum bisher kein vergleichbar umfangreiches militärhistorisches Römer-Buch zum Zeitraum des 3. Jahrhunderts gibt.
Da der rund 160 Seiten umfassende Inhalt gut strukturiert ist, kann sich der Leser - wenn er z.B. an der politischen und militärstrategischen Situation im 3. Jahrhundert kein großes Interesse hat - leicht die stattdessen bevorzugten Themen/Kapitel herauspicken; wie z.B. Helme, Feldzeichen, Artillerie und Tross, Halsbergen, Bogenschützen und Schleuderer, Bekleidung, Schwerter usw.
Nicht jede Aussage des Autors wird hier auf ungeteilte Zustimmung stoßen - etwa dass Maskenhelme bei der Reiterei neben Paraden auch im Kampf getragen wurden. Doch solche kleineren Streitpunkte sind eben in der notorisch unpräzisen Geschichtswissenschaft unvermeidbar. Ich persönlich kann jedenfalls damit leben, dass man hier nicht den Platz gefunden hat, dergleichen immer näher zu erörtern.
Das Buch enthält keine Fotos, sondern die vielen Illustrationen bestehen ausschließlich aus aufwendigen, meist großformatigen Farbzeichnungen. Ihre künstlerische Qualität ist durchaus gut, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, die mir weniger gefallen haben (besonders die Schlachtenszene auf den Seiten 60 bis 61 wirkt mir zu grob und zu hölzern).
Wirklich gefreut hat mich, dass sich unter den großzügig mit archäologischen Einzelquellen untermauerten grafischen Gesamtrekonstruktionen von Soldatenausrüstungen auch echte Exoten befinden - wie etwa der Dromedarius einer römisch-palmyrischen Kohorte. So etwas sieht man sehr selten, obschon es doch entsprechende Belege für Dromedare/Kamele in unseren Breiten gibt. Beispielsweise wurden auf dem Gelände der antiken Stadt Carnuntum (bei Wien) Überreste eines solchen Tieres entdeckt.
Verschiedene römische Schwertklingen und -Griffe | Foto: Hiltibold | Buchinhalt: (C) Zeughaus Verlag |
Berittener Bogenschütze aus der römischen Provinz Syria Osrhoene, der unter Severus Alexander an der Rheingrenze im Kampf gegen die Germanen dient | Foto: Hiltibold | Buchinhalt: (C) Zeughaus Verlag |
FAZIT: "Das Heer des Maximinus Thrax" ist ein allgemein verständlich geschriebenes, reichhaltig illustriertes Buch mit hohem Informationsgehalt. Der Autor betont zwar, dass er nicht den Anspruch erhebt, die römische Armee des 3. Jahrhunderts bis ins letzte Detail erschöpfend dargestellt zu haben, doch nichtsdestotrotz erhält der Leser einen ausgezeichneten Überblick zu diesem Themenkomplex. Ich konnte hier einiges dazulernen, obwohl ich mich mit dem römischen Militär schon seit etlichen Jahren beschäftige. Wobei anzumerken ist, dass das Buch durchaus auch Personen ans Herz gelegt werden kann, die über kein einschlägiges Vorwissen verfügen - z.B angehenden Reenactors.
PPS: Ein Rezensent hat sich auf Amazon (inkl. Beweisfotos) darüber geärgert, dass das Buch beschädigt bei ihm ankam. Ja, das ist mir in der Vergangenheit mit zwei Softcover-Bücher vom Zeughaus Verlag auch schon passiert. So etwas ist ärgerlich, liegt aber wohl vor allem in der Verantwortung von Amazon (obschon der Verlag bei 40 Euro Kaufpreis meiner Meinung nach einen robusten Festeinband hätte spendieren können). Dass bei dem Versand-Moloch Bücher oft unzureichend verpackt werden (z.B. fliegen sie gerne mal in zu großen Schachteln mit zu wenig Füllmaterial herum) ist schließlich ein altes Problem. Aber Herr Bezos ist eben nicht zufällig stinkreich geworden. Würde er in eine adäquate Verpackung Geld investieren, dann könnte er sich z.B. keine Zeitung kaufen, um diese in seine persönliche Propagandaposaune umzufunktionieren. Doch halt, ich schweife ab ...
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Weiterführende Informationen:
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Jetzt fehlt mir in dieser Reihe eigentlich nur noch ein Band über das römische Heer der späten Republik.
AntwortenLöschenSo etwas wäre auch mir sehr willkommen.
LöschenDazu gibt es von anderen Verlagen mehrere ähnlich gestrickte Bücher. Allerdings kann ich nichts über die Qualität sagen, die Originale stammen alle von englischsprachigen Autoren.
Löschen"Diese hier verstärkt einsetzende Entwicklung dürfte dann in der Spätantike einer der Gründe für den Zusammenbruch des Römischen Reichs gewesen sein"
AntwortenLöschenWie eine Schallplatte mit Sprung verweise ich an dieser (und ähnlicher) Stelle immer gerne wieder auf Max Weber und seinen hervorragenden Vortrag/ Aufsatz „Die sozialen Gründe des Untergangs der antiken Kultur“.
Darin wird der Niedergang der Geldwirtschaft mit Übergang in die (feudale) Naturalwirtschaft recht anschaulich beschrieben. Auch drängt die Lektüre die Vermutung auf, dass die Germanienzüge noch die letzte Möglichkeit Roms waren, neue Sklaven zu beschaffen (und wohl ähnlich einzuordnen sind, wie die fränkischen Sachsen- und ottonischen Slawenfeldzüge).
PS: Wenn am Harzhorn so viele römische Sandalennägel gefunden wurden - war das Schuhwerk schlicht verloren gegangen? Oder gibt es sonst plausible Erklärungen für die recht umfangreichen Funde? Etwa in Richtung "unbestattete römische Gefallene"? (Die Funde, auch im südlichen Dögerode, sind ja auch nur das, was nach Abzug der Römer nicht aufgesammelt und wiederverwertet wurde. Auch halte ich Herodians Schilderung Maximinus' heldenhaften und siegreichen Kampfes für in etwa so glaubwürdig, wie Cäsars Eigenlob über seine heldenhafte Rolle in erster Reihe im Kampfgetümmel vor Alesia...)
Gerade bei dem Ereignis am Harzhorn - man beachte wie der Begriff Schlacht vermieden wird - ist noch sehr viel ungereimt. Ich habe das nicht extra in der Rezension erwähnt, aber die Quellen, auf deren Grundlage man den Verlauf des Kampfes rekonstruiert, sind ziemlich dürftig (höflich formuliert). Hier ist mehr "Fantasy" mit im Spiel, als ich noch verdauen kann.
Löschen"Alesia"
LöschenUm Majestix zu zitieren: Alesia? Ich kenne kein Alesia!
;)
Wird auch die Flotte behandelt? Z.b. die Flussschiffe am "nassen Limes"?
AntwortenLöschenNein, keine Schiffe.
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