Hightech in der Archäologie
Themenschwerpunkt im aktuellen Heft der Zeitschrift "Bayerische Archäologie" sind die bei der modernen archäologischen Arbeit zum Einsatz kommenden technischen Hilfsmittel wie das Laser-Scannen aus der Luft (Airborne Laserscanning) mittels Drohne, Flugzeug, Hubschrauber und motorisiertem Gleitschirm als Instrumententräger. Auch das stationäre Scannen und Fotografieren von archäologischen Funden in hoher Auflösung wird näher betrachtet; dazu zählen u.a. Rasterelektronenmikroskop und SfM (Structure from Motion). Zusätzlich wirft man einen Blick auf Magnetometer, Bodenradar, Geoelektrik, Tachymetrie, Röntgenspektroskopie usw. Kurz gesagt, es wird ein relativ umfangreicher Überblick zu den vor allem bildgebenden Hightech-Methoden der modernen Archäologie gegeben. Darunter besonders gelungen ist Roland Lincks Beitrag "Mit dem Magnetometer durch Feld und Wiesen".
Wie aber auch betont wird, würden diese mehr oder weniger neuen technischen Methoden nicht unbedingt zu einer Verringerung des Arbeitsaufwandes führen, sondern zu einer Verlagerung vom Grabungsplatz ins Büro oder Labor. Was immerhin für den Auftraggeber von Vorteil sei, da dieser z.B. schneller mit seinen Baumaßnahmen fortfahren könne. Die Anschaffungskosten von einigen der Gerätschaften seien jedoch hoch, so dass sie nicht von allen archäologischen Grabungsfirmen verwendet werden.
Gut, ob es wirklich immer so ist, dass bloß eine Verlagerung der Arbeiten stattfindet, aber unterm Strich der Zeitaufwand gleich bleibt, wage ich aufgrund eigener praktischer Erfahrungen stark zu bezweifeln. Etwa im Fall der geophysikalischen Prospektion, die es einem erlaubt, wesentlich gezielter und somit zeitsparender zu graben. Blindflüge, wie sie früher die Regel waren, können somit minimiert werden.
Von immensem Vorteil für die Forschung ist zweifellos der Umstand, dass die immer genaueren, umfangreicheren und anschaulicheren Daten, die die moderne Hightech-Archäologie liefert, in frei zugängliche Datenbanken eingespeist und von überall auf der Welt abgerufen werden können. Nicht nur Wissenschaftler, sondern auch interessierte Laien profitieren davon.
Und eine Anmerkung noch: Der Autor eines Beitrages hat einige seiner Heft-Illustrationen mit QR-Codes versehen, um auf diesem Weg zu den entsprechenden 3D-Scans zu verlinken; darunter etwa der Ipf in Bopfingen (😄), dem man in gefühlt jeder zweiten süddeutschen Archäologiepublikation begegnet. Doch leider, diese QR-Codes bringen dem Leser nichts, wenn er sich die hochauflösenden Scans auf seinem Desktop-Rechner ansehen möchte, was wesentlich sinnvoller sein dürfte, als auf dem vergleichsweise winzigen Handybildschirm. Deshalb hätte es nicht geschadet, auch kurze Textlinks anzufügen. Nur weil etwas modern ist, heißt es nicht, dass es auch immer besser ist (erinnert mich an Apple, wo man im Namen der Simplizität Ports an den Notebooks einspart und so viele Nutzer zum Kauf von Hubs, Adaptern und ähnlichem Krempel nötigt).
Kontrastprogramm: Rückblick auf die archäologische Arbeit
Für mich fast noch interessanter als Gegenwart und Zukunft der Archäologie ist ihre Vergangenheit. Genau davon erzählt der Archäologe Friedrich Loré, indem er die Entwicklung der letzten 40 Jahre im Bereich der technischen Hilfsmittel in der Archäologie Revue passieren lässt. Darunter befindet sich etwa "der berüchtigte Feldpantograph". Diese mit einem Seilzugsystem arbeitende Gerät wurde dafür verwendet, um beispielsweise Konturen von Steinpackungen mittels Metallstift abzugreifen und auf Papier zu übertragen. Ein komplizierter Apparat, der aufwendig justiert werden musste, immer wieder fehlerhaft arbeitete und den wohl nur wenige Archäologen vermissen werden (ich kenne jemanden, der hat so ein Gerät bei sich zuhause in der Vitrine stehen, direkt neben einem Indiana-Jones-Hut und einem Häufchen Vulkanasche aus Pompeji).
Ein deutlicher Innovationsschub in der deutschen Archäologie kam dann um das Jahr 2000, als nach und nach die private Firmenarchäologie in Deutschland Einzug hielt. Staatliche oder halbstaatliche Stellen hatten bis dahin den technischen und methodischen Fortschritt mit ihren verkrusteten Strukturen sowie trägen Genehmigungsverfahren für neue Geräte ausgebremst, heißt es. Ich glaube dem Autor das aufs Wort, möchte aber hinzufügen, dass diese Akteure aus dem staatlichen Umfeld auch heute noch manch Unwesen treiben.
Frühmittelalterlicher Goldfaden-Pfusch
In gleich zwei sehr informativen Beiträgen setzt man sich mit Goldfäden auseinander, die als Reste eines Kleidungsstücks in einem frühmittelalterlichen Grab bei Regensburg entdeckt wurden. Dass der Fundort als "Großes Gräberfeld" bezeichnet wird, hat einen guten Grund, denn auf dem vom 2. bis ins 7. Jahrhundert genutzten Bestattungsplatz sollen unglaubliche 30 000 bis 40 000 Personen ihre letzte Ruhestätte gefunden haben! 3000 Bestattungen davon wurden bisher archäologisch untersucht. Darunter auch jenes in die Zeit um 600 datierte Grab mit der Nummer 1032, in dem sich neben besagten Goldfäden auch weitere textile Fragmente befanden.
Die Autoren erläutern anhand dieses Beispiels u.a. wie es möglich ist, dass sich Reste von Kleidung im Boden erhalten können; etwa durch Anhaftung an Metall, welches entweder das organische Textilmaterial mineralisiert und/oder antimikrobakteriell wirkt, was eine Zersetzung verhindert bzw. diese stark verzögert. Auch das Bodenmilieu, welches idealerweise durch einen hohen Grundwasserspiegel dauerhaft durchfeuchtet ist, spielt dabei eine wichtige Rolle.
Die Goldfäden - so wird erklärt - bestehen im Kern aus einem organischen Faden (Seele), um den schmale Streifen aus hauchdünner Goldfolie (Lahnen) gewickelt wurden (Anmerkung: Ich frage mich, wie man es dazumal geschafft hat, dass sich die Goldfolie beim Verarbeiten nicht immer wieder gelöst hat; schließlich scheinen sie nicht fest mit dem organischen Faden verbunden gewesen zu sein. Oder ist hier auch Kleber mit im Spiel gewesen? Wer weiß mehr?).
Interessanterweise wurde bei der Analyse der Goldfolie festgestellt, dass sie aus sehr reinem Gold besteht und nur niedrig mit Silber und Kupfer legiert worden ist. Damit war sie eigentlich zu weich/brüchig, um verarbeitet zu werden, meinen die Forscher. Sie folgern daraus, dass aus diesem Grund der Goldfaden bereits sehr Fragmentiert war, als man ihn entdeckte. Will heißen, auch schon zu Lebzeiten des Besitzers könnte das Golddurchwirkte Kleidungsstück etwas lädiert ausgesehen haben.
Ein bronzenes Tüllenbeil: Verwurschtelt und vergessen
Der folgende Fall ist leider ein besonders krasses Beispiel für jene Trägheit, mit der immer noch zu oft in der archäologischen Wissenschaft publiziert wird. Ganz davon abgesehen, dass hier wieder einmal ein Fund lange Zeit verschwunden ist bzw. der Forschung vorenthalten wurde. Doch worum geht es konkret? Nun, in der Rubrik "Archäologie in den Bezirken" heißt es, dass 1999 das sogenannte "bronzene Tüllenbeil von Grünsberg" von einer Familie entdeckt und brav der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg übergeben wurde; vermutlich in der Annahme, dass man dort sowohl das späturnenfelderzeitliche Beil wie auch die bereitwillige Zusammenarbeit zu würdigen weiß. Doch Pustekuchen, erst jetzt, über zwei Jahrzehnte (!) später, erfolgte die Publikation.
Man mag einwenden, dass ein Tüllenbeil kein aufregender bzw. wissenschaftlich seltener/wertvoller Fund ist, doch es geht hier vor allem ums Prinzip. Wie kann man Metallsuchern, die einen Fund nicht zeitnah abgeben, sofort wegen Fundunterschlagung die Bude stürmen lassen, wenn gleichzeitig in den eigenen Reihen der Archäologie immer wieder so unerträglich lahm gearbeitet wird? Quod licet iovi, non licet bovi?
Wenn nun jemand meint, die beiden Dinge könne man doch nicht vergleichen: Doch, kann man. Denn ein Vergleich ist keine Gleichsetzung 😊.
Die Proskynese bajuwarischer Archäoeunuchen
Falls sich jemand fragt, ob ich denn nicht wieder etwas Ärgerliches in den im Heft abgedruckten Mitteillungen der Gesellschaft für Archäologie in Bayern e.V. gefunden habe: Ja, leider. Aber ich erspare es mir diesmal, darauf ähnlich detailliert wie schon einmal in der Vergangenheit einzugehen.
Was nämlich soll man zu diesen erbärmlichen Jammergestalten noch viel schreiben, die eine im Freien (!) stattfindende Lehrgrabung (und zwar ironischerweise genau jene, bei der sie keine wissenschaftlich interessierten Metallsucher dabei haben wollten) lapidar mit der Begründung 'Corona' absagen? Viel schlimmer noch, die Herrschaften fühlten sich sogar bemüßigt, die oktroyierten Maßnahmen der Politik zu rechtfertigen. Leiden die Verantwortlichen womöglich unter dem Stockholmsyndrom oder sind sie einfach nur 'notgeile Masochisten' ?
Zumindest handelt es sich um obrigkeitsgläubige Untertanen, deren gebückt-servile Haltung aus einem anderen Zeitalter zu stammen scheint. Wie meinte etwa der preußische Innen- und Staatsminister Gustav von Rochow (1792-1847): "Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen."
An dieser Stelle ist es freilich interessant zu wissen, dass man anderenorts - nämlich bei der eigentlich staatsnahen (!) Mittelalterbaustelle Campus Galli - genügend cojones in der Hose hatte, um sich sogar von einem Öffnungsverbot freizuklagen; mit dem nachweislich zutreffenden Hauptargument, dass im Freien so gut wie keine Ansteckungsgefahr besteht (siehe die nachfolgenden Links).
Im Übrigen gilt: Gut informiert zu sein - um sich dann darauf basierend eine qualifizierte und differenzierte Meinung bilden zu können - ist eine 'Holschuld'. Das gilt auch für archäologische Vereine, sofern man dort das Vereinsleben nicht leichtfertig auf dem Altar eines kleingeistigen Konformismus und primitiver Gefallsucht opfern möchte: Link 1, Link 2.
Weitere Heft-Beiträge (Auswahl)
- Gefährdete Häuser: Blockbauten in großer Not
- Mit dem Magnetometer durch Feld und Wiese
- Grabungstechnik goes Future
- Römerboot im Altmühlsee unterwegs (Achtung, die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sucht Interessierte, die am Bau einer neuen, besonders authentischen Römerboot-Rekonstruktion mitwirken wollen!)
FAZIT
Eine gutes Heft. Ich sehe den beschriebenen Einsatz von modernen technischen Hilfsmitteln positiv. Sie können unter bestimmten Voraussetzungen Zeit und Geld sparen. Vor allem aber führen sie zu präziseren Ergebnissen. Denn wir wollen nicht vergessen, dass die Archäologie zu den Geisteswissenschaften zählt und es insgesamt nicht so sehr mit Präzision hat, sondern mehr mit subjektiver Interpretation. Man denke etwa nur an die Himmelsscheibe von Nebra und die nicht gerade gut belegten Geschichten, die sich selbst anerkannte Experten zu diesem Artefakt zusammengebastelt haben.
Auch vom Themenschwerpunkt abgesehen, enthält das vorliegende Heft jede Menge abwechslungsreiche und interessante Informationen.
—————–
Weiterführende Informationen:
Weitere interessante Themen:
Hallo Hiltibold, kennst du die berüchtigte Entdeckungsgeschichte der Schriftrollen vom Toten Meer? Die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse hat man damals teilweise um Jahrzehnte verzögert, Fragmente sind während den Untersuchungen verschwunden und nie wieder aufgetaucht, Forscher haben sich gegenseitig geklagt,... Ein ganz unrühmliches Kapitel der Archäologie.
AntwortenLöschenW.T.C.
Ist mir bekannt, habe dazu vor etlichen Jahren auch mal ein eher umstrittenes Buch gelesen (Titel und Autor allerdings schon wieder vergessen). "Unrühmlich" war an der wissenschaftlichen Aufarbeitung aber tatsächlich so einiges.
LöschenMeinst du vielleicht "Verschlusssache Jesus: Die Wahrheit über das frühe Christentum" von Michael Baigent?
LöschenW.T.C.
Ja, genau das war es.
LöschenBlattgold haftet zumindest auf Stein, Putz und Holz auch ohne Kleber recht gut. Ok, ein Faden wird immer wieder Belastungen ausgesetzt, da könnte die Sache anders liegen.
AntwortenLöschenDie Frage ist auch, ob der Goldfaden durch das Trägertextil durchgefädelt wurde, was ihn zusätzlich belastet, oder ob er oberflächlich mit kleinen Fäden angeheftet worden ist. Das wäre sicher schonender.
Aber Kleber oder nicht? Gute Frage,
Gero
Die mechanische Belastung beim Vernähen ist genau der Punkt, den ich meinte. Kann es dabei die Goldfolie nicht vom Faden schieben, wenn kein Klebstoff benutzt wurde?
LöschenIch bilde mir ein, irgendwann mal etwas von Kleber in diesem Zusammenhang gelesen zu haben, aber ich weiß nicht, ob das allgemeine Gültigkeit hat oder nur ein Ausnahmefall war.
LöschenGuinevere
"Archäoeunuchen", höhö.
AntwortenLöschenWenn Hiltibold jetzt schon zum Vergleich den Campus Galli als Positivbeispiel nennt, dann will das etwas heißen, dann ist richtig Feuer am Dach ;-)
AntwortenLöschenGanz so ist es nicht, ich habe die Klosterbauer aus Meßkirch schon ein paarmal lobend erwähnt ;)
LöschenIch habe das Heft 3 auch, soweit ich das sehe, gibt es diese Coronamaßnahmen, die die archäologische Ausgrabung verhindern würden, noch gar nicht. Anscheinend ausschließlich weil es sie in der Vorstellung des Vereinsvorstandes geben KÖNNTE, wird bereits alles in vorauseilendem Gehorsam abgesagt.
AntwortenLöschenIch kann mir gut vorstellen, dass bei diesem Gremium jemand die Hosen voll hat und die imaginierten, in die Zukunft projizierten Coronamaßnahmen von König Söder der eigenen Hysterie wegen als willkommenen Vorwand verwendet.
Besser wäre es aber gewesen, an die Bayerische Landesregierung heranzutreten und beispielsweise für solche Grabungen nachdrücklich ein Hygienekonzept mit Testungen vorzuschlagen.
Ein Grabungstechniker und Auslandsdeutscher
Der Fehler der Gesellschaft für Archäologie hat schon dort begonnen, die Lehrgrabung in eine Jahreszeit terminlich zu legen, von der bekannt ist, dass dann die Infektionszahlen wieder steigen und Verbote drohen. Egal wie man diese Verbote beurteilt, hätte man im Sommer gegraben, dann hätte man das Problem leicht umschiffen können
Löschen