Dienstag, 4. November 2025

🗞️ Was in der alten Zeitung steht: Feurige Kugeln am Himmel von Hausmannstätten (1928) -- Heuchelei brachte den Messkelch zum Überlaufen (1926) -- Die gute alte "Irrsinnigkeitserklärung" (1827, 1859)

Feurige Kugeln am Himmel von Hausmannstätten 

Über ein Himmelsphänomen, das man heutzutage vermutlich als UAP (Unidentified Aerial Phenomenon) bezeichnen würde, berichtete das Grazer Tagblatt am 23. Juli 1928.


    Feurige Kugeln am Himmel. Sonntag gegen sieben Uhr abend beobachtete man in der Gegend von Hausmannstätten eine seltsame Himmelserscheinung. Am wolkenlosen Himmel zeigte sich plötzlich eine große feurige Kugel, die sich nach einiger Zeit in zwei kleinere Kugeln teilte. Ihr feuerroter Schein blendete geradezu das Auge. Die Erscheinung dauerte etwa zehn Minuten und erregte lebhaftes Aufsehen. Um Wetterleuchten könne es sich nach den Aussagen der Beobachter nicht gehandelt haben.

Ebenfalls  wird es sich nicht um einen niedergehenden und auseinanderbrechenden Meteor gehandelt haben, denn der wäre in keinem Fall dermaßen lange zu sehen gewesen. Daher stellt sich auch heute noch die Frage: Um was handelte es sich bei den auffälligen Objekten über der steirischen Gemeinde Hausmannstätten, die am 22. Juli 1928 (am Vortag der Zeitungsmeldung) offenbar von mehreren Personen beobachtet wurden? 

Kann es dafür eine ganz unspektakuläre Erklärung geben? Natürlich. Die Beschreibung geht ja nicht sehr ins Detail und lässt daher einiges offen. Klar ist aber auch, dass in der wissenschaftlichen UAP- bzw. UFO-Forschung das Phänomen der leuchtenden Kugeln am Himmel, die sich mitunter teilen, äußerst bekannt ist. Auch die Farbgebung passt zu ähnlichen Beobachtungen in der Vergangenheit. Siehe außerdem "Eine UFO-Sichtung im Mittelalter und die 'extraterrestrischen' Prodigien des Livius".

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"Der perverse Priester": Heuchelei war der Tropfen, der den Messkelch zum Überlaufen brachte

Die (mittlerweile verblichene) Wiener "Arbeiter-Zeitung" hat als Haus- und Hofmedium der österreichischen Sozialdemokraten schon immer ein besonderes ideologisches Interesse gehabt, genussvoll über die sexuellen Verfehlungen von Priestern zu berichten. Entsprechend sind die einschlägigen Artikel oft bis zum Rand mit Sarkasmus und Polemik vollgestopft. Man merkt, dass es den Journalisten nicht nur um das Vermitteln von Informationen ging, sondern auch die Unterhaltung der eher nicht sehr kirchenfreundlichen Leserschaft von einiger Bedeutung war; selbst bei einem vergleichsweise ernsten Thema.
Übernommen wurde der 1926 veröffentlichte Artikel-Text weitestgehend aus einem sozialdemokratischen Bruder-Medium, nämlich der in Graz ansässigen Zeitung "Arbeiterwille" - wo man natürlich weltanschaulich/journalistisch mit der "Arbeiter-Zeitung" im Gleichschritt marschierte.


Eltern, achtet auf eure Kinder!
    Die katholischen Bischöfe wettern in Hirtenbriefen gegen die Verderbtheit unserer Zeit, der Prälat Seipel predigt Moraltheologie, und die Chronik unserer Tage meldet Woche für Woche, daß gerade die nächsten Angehörigen der Moralprediger gegen Hirtenbrief und Gesetz, Moral und öffentliche Sittlichkeit verstoßen und der Geld- und Fleischgier unterliegen wie kein andrer Mensch. So wird dem "Arbeiterwillen" wieder aus [der südsteirischen Gemeinde] Gamlitz berichtet: Bis vor kurzer Zeit waltete in Kirche, Schule und Pfarrhof von Gamlitz der Kaplan Alois Sindler seines staatlich besoldeten Amtes, anscheinend ohne jede Unzukömmlichkeit. Erst als er in flammender Rede von der Kanzel gegen den Teufel im Radio gewettert hatte, weil einige Bauern sich neben dem Orgelsang und der verstimmten Wirtshausklarinette drahtlos mit der besseren Musik des Radios verbinden wollten, sickerten plötzlich über die Lebensgewohnheiten des frommen Herrn Nachrichten in die Öffentlichkeit. Allmählich wurde es zur Gewissheit, dass Sindler in schamloser Weise kleine Kinder verdorben hatte. Der Herr Kaplan lockte die Ministrantenbuben auf sein Zimmer und während des Kartenspiels - übrigens auch eine sehr zweckmäßige Kinderunterhaltung - verging er sich an den Knaben und zwang sie, auch ihm "Liebe" zu bezeigen. Es ist nicht festgestellt, wie weit diese Vergiftung junger Kinderseelen schon zurückreicht und welche Kreise sie gezogen hat. Aufgekommen ist die Sache dadurch, daß einer der Knaben von dem Tun des ehemaligen Kaplans von Gamlitz Mitteilung machte. Die Nachforschungen bei den noch in Frage kommenden Knaben ergaben die Richtigkeit der Behauptungen. Der perverse Priester wurde in Untersuchung gezogen.

Das Radio als Quelle der Unmoral? Mein lieber Mann, wenn man damals schon etwas vom Internet und dessen Unmoral-Potential geahnt hätte ...

Nachdem ich einen historischen Zeitungsartikel wie diesen gelesen habe, frage ich mich oft: Und wie ging es weiter? Nun, über einen Prozess konnte ich nichts finden. War also der Herr Kaplan unschuldig? Nicht unbedingt, denn es scheint hier die in der Katholischen Kirche bis heute äußerst beliebte Strategie des Versetzens von unsittlichen Klerikern angewendet worden zu sein; was man zumindest als indirekten Hinweis auf seine Schuld werten kann (wenn man mag).
Bereits kurz vor dem Erscheinen des Artikels wurde der Kaplan von Gamlitz in das nicht allzu weit entfernte Leibnitz versetzt; das Gerede in Gamlitz dürfte also bereits das akzeptable Maß überschritten haben. Möglicherweise lag Leibnitz aber zu nahe am Ort der inkriminierten Missetaten. Denn besonders lange war er nicht an seinem neuen Wirkungsort, sondern wurde schon bald in das obersteirische Murau transferiert. Quasi die Translation eines Unheiligen 😄.
In Murau scheint er dann auch geblieben zu sein. Der letzte auffindbare Zeitungsbericht über den Herrn datiert auf das Jahr 1937. Nach dem Vorfall in Gamlitz scheint der "perverse Priester" nicht mehr öffentlich negativ aufgefallen zu sein.

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Die gute alte "Irrsinnigkeitserklärung"!

Bitte, unbedingt wieder dieses Prozedere einführen! Speziell im Hinblick auf Parteipolitiker wäre das geradezu dringend erforderlich. Damit nämlich die breite Öffentlichkeit zeitnah gewarnt ist, mit welchen Deppen sie es zu tun hat 😁


1267.                                                                                Erh. 9. März.
Irrsinnigkeitserklärung
des Mathias Dworžak, Besitzers der Bauernwirthschaft 
K. K. 27 in Langendorf.
    Von dem Ortsgerichte der Herrschaft Reichenau, kösniggrätzer Kreises, wird mittelst gegenwärtigen Edikts zu Jedermanns Wissenschaft und Darnachachtung bekannt gemacht: Es sen der Mathias Dworžak, Besitzer der Bauernwirthschaft K. K. 27 in Langendorf, auf die Grundlage der gerichtsärztlichen Untersuchung seines Geisteszustandes für irrsinnig, und zur eigenen Vermögensverwaltung unfähig erklärt, und somit unter die kuratorische Aufsicht seines Bruders Franz Dworžak gesetzt worden.
        Reichenau den 20. Februar 1827.                         (2)


Rund 50 Jahre später war die Irrsinnigkeitserklärung bereits etwas weniger sperrig bzw. moderner formuliert - wie das folgende Beispiel zeigt. 



Zahl 194.                                                                                    [238]
Irrsinnigkeits-Erklärung.
Nachdem das k. k. Landesgericht in Graz den diesämtlichen k. k. Kanzellisten Friedrich Rose wegen gerichtlich erhobenen Wahnsinnes mit Beschluß vom 21. Jänner 1853, Zahl 793, unter Curatel zu setzen befunden habe, so wird dieses mit der Erinnerung zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß man den bürgerlichen Handelsmanne Herrn Johann Glötzl für den irrsinnigen Friedrich Rose zum Curator bestellt habe.
K. k. Bezirksamt D. Landsberg als Gericht am 14. Februar 1859.
                                                    Der k. k. Bezirks-Vorsteher: 
                                                        Marv. Appeltauer.

Die Originalquellen für die beiden Irrsinnigkeitserklärungen findet man hier und hier im Zeitungsarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek.

Übrigens, die letzte öffentlichen Bekanntmachung dieser Art, welche ich im finden konnte, stammt aus dem frühen 20. Jahrhundert. Es scheint schließlich der persönlichkeitsrechtliche Aspekt mehr Gewicht gewonnen zu haben als ein etwaiges öffentliches Interesse. Diese Sichtweise hat sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt und führt heute mitunter dazu, dass selbst verurteilten Schwerkriminellen Rechte eingeräumt werden, die in breiten Teilen der Bevölkerung auf Unverständnis stoßen. 


6 Kommentare:

  1. In der Steiermark gibt es einige UAP Hotspots (zum Bsp das Mürztal), wo man genau solche leuchtenden Kugeln immer wieder sieht. Heute könnte man das als "Drohnenshow" abtun, aber 1928 hat es so etwas ja noch nicht gegeben.
    Liebe Grüße, Ferry

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    1. Ja, im Raum Knittelfeld oder Kapfenberg - irgendwo dort sieht man immer wieder diese Dinge. Genaues kann ich dazu aber nicht sagen, denn das Thema läuft bei mir wirklich nur am Rande mit. Es ist aber durchaus erwähnenswert, vor allem weil es ja seitens solcher Universalgelehrter wie Harald Lesch gerne heißt, das Phänomen sei erst mit der Science-Fiction-Populärkultur in den 1940ern aufgekommen. Was aus historischer Sicht erwiesenermaßen falsch ist. Und um das zu verdeutlichen, veröffentliche ich diese alten Zeitungsmeldungen.

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  2. großartig! verlinke ich auf meinem blog zu deinem blog! 👍👽🎩

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  3. "D. Landsberg" = Deutschlandsberg?

    LG,
    Erwin

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