Donnerstag, 2. Mai 2013

Wie viele Menschen arbeiteten auf einer mittelalterlichen Kirchenbaustelle?


Da ich hier kürzlich wieder einmal etwas über die Karolingische Klosterstadt Meßkirch (Campus Galli) schrieb, dachte ich mir, dass es doch interessant wäre zu erfahren, wie viele Handwerker und Tagelöhner auf der Baustelle eines (größeren) mittelalterlichen Sakralbaus schufteten. Vor allem während des hohen und späten Mittelalters wurden in ganz Europa ja etliche große Kirchen und Klöster errichtet.
Die Quellenlage zu den Beschäftigtenzahlen ist jedoch sehr dürftig. In den wenigen erhaltenen Dokumenten, werden nämlich vor allem Tätigkeiten, die von Fronpflichtigen ausgeführt wurden, nicht erwähnt.
Wenn man sich so ein steinernes Ungetüm ansieht und bedenkt, dass es damals noch keine Maschinen im modernen Sinn gab, möchte man wohl meinen, es müssten gut tausend Menschen gewesen sein, die gleichzeitig daran arbeiteten. Doch dem war nicht so.
Im Falle des Klosters von Heilbronn wird beispielsweise angenommen, dass zu Spitzenzeiten rund 350 Menschen beschäftigt waren (150 Steinmetze und Maurer; 150 Steinbrecher und Fuhrleute; 50 Schmiede, Zimmerleute und Wagner).
Für die Londoner Westminster- Abbey konnte man aufgrund der erhaltenen Kassenbücher ermitteln, dass im Jahr 1253 ziemlich genau 430 Arbeiter auf der Baustelle schufteten. Als König Heinrich 1251 zu Besuch kam, waren es sogar 600-800.
Bei der Westminster Abbey fand man außerdem heraus, dass es nur eine kleine Stammmannschaft an ausgebildeten Handwerkern gab, die auch im Winter arbeitete. Ab Ostern nahm vor allem die Zahl der Hilfskräfte zu. Von Juli bis September ging deren Anteil jedoch wieder stark zurück. Diese Fluktuation deutet man dahingehend, dass es sich hierbei um Menschen vom Lande handelte, die zur Erntezeit auf ihre Höfe zurückkehrte. Man sieht daran, dass es den Nebenerwerbsbauer bereits im Mittelalter gab.

Anmerkung zum Bild: Entgegen der Beschreibung bei Wikimedia.org (Quelle), dürfte es sich hierbei nicht um den Stephansdom handeln, sondern um die neugotische Wiener Votivkirche, die erst im 19. Jahrhundert errichtet wurde ... allerdings fand ich das Motiv sehr schön ;)

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Quelle und weiterführende Literatur:
  • Dietrich Conrad | Kirchenbau im Mittelalter: Bauplanung und Bauausführung | Verlag: E. A. Seemann | Infos bei Amazon

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2 Kommentare:

  1. erkennt man doch klar an den 2 Türmen :-)
    Übrigens eine witzige Geschichte. Warum heißt die Votivkirche Votivkirche?

    Weil ihr Stifter - der Kaiser Franz Joseph nämlich - in jungen Jahren von einem ungarischen Schneidergesellen angegriffen wurde, der ihn ermorden wollte, glücklicherweise hatte der Kaiser seinen Adjutanten dabei und loyale Untertanen, denn der Adjutant und ein Wiener Bäckermeister verhinderten das Schlimmste, lediglich leichtverletzt entkam Franz Joseph.
    Aus Dank stiftete er die Votivkirche. Obwohl.. so dankbar war er dann doch nicht, denn selbst bezahlt hat er sie natürlich nicht. Das Bauvorhaben wurde von Spenden aus dem (umso dankbareren oder einfach nur Gehirngewaschenen) Volk bezahlt. Gott sollte ja auch weiterhin ihren Kaiser erhalten :-)

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    1. Habs auch bloß an den Türmen (mehr oder weniger) erkannt bzw. erraten ;)

      Die Geschichte mit dem Attentat auf den Kaiser kannte ich schon (der helfend herbeispringende Fleischer wurde für seinen Mut geadelt).
      Dass man deshalb gleich eine Kirche errichtet hat, war mir allerdings neu.
      Wieder was dazugelernt :)

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