Montag, 6. Januar 2014

Buch: Die Macht der Toga - Dresscode im Römischen Weltreich

Wie kleideten sich die Römer? Welche Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten, gab es diesbezüglich in den Provinzen? Welche Rohstoffe wurden für die Textilerzeugung verwendet und welche Methoden stehen der moderne Forschung zur Verfügung, um Herstellungstechniken und Materialien archäologischer Funde zu identifizieren? Diese und viele weitere Fragen werden in Die Macht der Toga - Dresscode im römischen Reich (Verlag Schnell & Steiner) beantwortet. 
Der Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung im Hildesheimer Römer- und Pelizaeus-Museum setzt sich aus Beiträgen verschiedener Autoren zusammen, die Einblick in ihre persönlichen Forschungsschwerpunkten gewähren. Da das Buch nicht aus einer einzigen Feder stammt, variiert der Schreibstil naturgemäß; nichtsdestotrotz sind die Texte leicht verständlich und somit auch interessierten Laien absolut zumutbar. 
Freilich, Ausnahmen gibt es schon, wie etwa den einen oder anderen Satz im Kapitel zu den Methoden der Textilarchäologie. Ich müsste ehrlich gesagt lügen, wenn ich behaupten würde, dass es mir möglich war auf Anhieb immer alles absolut sinnerfassend zu lesen - Stichwort "Umkehrphasenhochleistungsflüssigkeitschromatographie" ^^. Auch bilde ich mir ein, dass speziell Frauenekleidung überproportional oft behandelt wird. Dafür mag es verschiedene Gründe geben, wie etwa, dass sich vor allem Forscherinnen mit Mode beschäftigen (kein Klischee!) und hierbei die Kleidungsgeschichte ihrer Geschlechtsgenossinnen bevorzugen. Natürlich manifestieren sich aber auch gerade im Bereich der Frauenkleidung die größten Unterschiede zwischen den einzelnen Provinzen des Reichs, während Männer ein wenig einheitlicher gekleidet waren.
Besonders stach mir bei diesem Buch der relative Mangel an Rekonstruktionen bzw. Rekonstruktionszeichnungen römischer Gewänder ins Auge. Dass man ausgerechnet bei einem dermaßen praxisbezogenen Themenkomplex die Erkenntnisse der Experimentalarchäologie nicht in den Mittelpunkt der Betrachtungen rückt, finde ich schade. Dem Leser die zeitgenössische Abbildung eines in Tunika und kaiserzeitlicher Toga gekleideten Römers zu präsentieren, ist schön und gut; einen maximalen Mehrwert zieht der Interessierte aber vor allem aus den Erkenntnissen die eine praktischen Umsetzung bzw. die Rekonstruktion der dargestellten Kleidungsstücke erbringt.

Fazit: Trotz der recht ausführlich geäußerten Kritik, die z.T. auch auf meiner ganz persönlichen Erwartungshaltung beruhen mag, ist dieses Buch durchaus lesenswert und sein Geld wert. Es bietet einen umfangreichen Überblick und bündelt den aktuellen Forschungsstand in leserlicher und zumeist kurzweiliger Form. Ich vergebe 4 von 5 möglichen Punkten.
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Inhaltsverzeichnis:

Einführung
- Kleidung und Identität im Römischen Weltreich
- Methoden der Textilarchäologie
- Identitätsmedium Kleidung. Die soziale Bedeutung der zweiten Haut

Rom - Das Zentrum von Macht und Einfluss; sein Hinterland; seine Vorläufer
- Die römische "Staatstracht" - toga, tunica, calcei
- Kleidung und Gesetz in Rom
- Purpur und Macht an den Küsten des Mittelmeerraums
- Seidenkleidung in römischer Zet
- Textilien und das römische Konzept von Luxus
- Zur Kleidung römischer Priester im öffentlichen Kult
- Das römische Heer - Symbol der Einheit des Reiches
- Kleidung als Botschaft: Die Mäntel aus den vorrömischen Fürstengräbern von Verucchio
- Zur Kleidung im frühen Etrurien

Griechenland - der hellenistisch geprägte, römische Osten und die Rolle der Frau
- Das antike Griechenland und die römische Kleidung
- Die statuarische Repräsentation der römischen Kaiser im östlichen Imperium
- Römische Frauen, Kleidungen und öffentliche Identitäten
- Vielfalt, Kontinuität und Wandel in der Kleidung des ostgriechischen Raums und ihr römisches Erbe
- Die Kleidung der Figuren auf Grabstelen der römischen Zeit in Griechenland und Kleinasien
- Webkunst und Kleiderproduktion als Tätigkeit der Frau im Griechenland der Römerzeit
- Die Rolle der antiken Frau nach Schriftlichen Quellen

Römisches Asien - Palmyra, Mittler zwischen Ost und West
- Kleidung und Tracht in Palmyra
- Textile Luxusgüter aus dem Osten
- Der Import exotischer Textilien nach Rom

Ägypten - Große Vielfalt dank guter Erhaltungsbedingungen
- Von Haut Couture bis Prêt-à-porter  - Damenmode im römischen Ägypten
- Gleichartige Dekore auf unterschiedlichen Gewandformen - Motivtransfer zwischen Palmyra u. Ägypten
- Was so in einem reichen Haus zu finden war
- Berufliche Identität - Zur Ausbildung von Webern im römischen Ägypten

Der Westen - Iberien, die "römischste" aller Regionen
- Betrachtungen zur iberischen Frauenkleidung
- Vom Stein zum Stoff: Eine Rekonstruktion der Bekleidung der "Dama de Baza"
- Die Kleidung der Iberer im Spiegel ihrer bronzenen Weihefiguren
- Die Kleidung als Ausdruck der Heroisierung und des Krieges in der Castrokultur im Nordosten der iberischen Halbinsel
- Leinen und Wolle für den Kaiser: Die Produktion der textilen Rohstoffe im römischen Spanien

Der zentraleuropäische Raum - Noricum und Pannonien
- Das norische Frauengewand
- Die Kleidung der Eravisci und Azali an der Donau in römischer Zeit
- Vorrömische Kleidung in Mitteleuropa
- Technologischer Wandel der Textilproduktion: Vorrömisches Mitteleuropa - Noricum
- Technologischer Wandel der Textilproduktion Panoniens unter römischen Einfluss
- Das spätantike Kammergrab von Poprad-Matejovce - Repräsentation von Status und Luxus im Tode

Der nordwestliche Raum - Die Rheinprovinzen und Britannien
- Ethnische Tracht und römische Kleidung am Niederrhein
- Textile Qualitäten im römischen Heer der Rheinprovinzen
- Vindolanda: Zu den Textilien und der sozialen Hierarchie in einem römischen Kastell
- Räthselhafte Goldgewebsstreifen in spätantiken Sarkophagen aus St. Maximin in Trier

Außerrömische Beziehungen nach Norddeutschland und Skandinavien
- Skandinavische Kleidung in der vorrömischen Eisenzeit
- Römische Schwerter und lokale Gewänder in den Mooren von Thorsberg, Nydam, Illerup Adal und Vimose
- Römische Gewänder im germanischen Moor - Der Mann von Obernaltendorf

Überblick
- Hauptergebnisse des internationalen Forschungsprojekts DressID - Ein Resümee
- Main Results of the International Research Project DressID - A Sumary

Anhang
- Glossar
- Publikationsliste
- Bildnachweis

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5 Kommentare:

  1. Viele wissenschaftliche Aufsätze die ich bisher gelesen/überflogen habe, wären mit einer entsprechenden Illustration verständlicher und nur halb so lang gewesen. Es gibt nichts öderes für den Leser, als wenn z.B. architektonische Details mit Worten umschrieben werden. Ein Bild sagt einfach mehr als tausend Worte.

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    1. Ein Bild sagt einfach mehr als tausend Worte.

      Das sehe ich auch so.
      Möglicherweise beruht der Verzicht auf bestimmte Illustrationen - ich denke hier z.B. an Skizzen - oft auf einem (vermeintlich) zu hohen Aufwand. Oder auf einem Mangel an Talent; nicht jeder der gut schreibt, muss schließlich auch gut zeichnen können ;)

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    2. Es ist wirklich viel Arbeit. In die Grafiken und das sonstige Bildmaterial meiner Diplomarbeit
      habe ich mindestens gleich viel Zeit investiert, wie in den Text.
      Das hätte ich nicht müssen, aber es hat sich letztendlich ausgezahlt :-)
      Und danke für die Rezension, das Buch werde ich auf meinen Wunschzettel setzen.

      Schöne Grüße,

      Britta

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  2. Das hört sich, trotz der Kritik, ja in Summe recht interessant an. Gehe ich recht in der Annahme, dass die Autoren die Quellen immer brav nennen oder gibt es da Unterschiede in der Gewissenhaftigkeit?

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    1. Die Quellen werden eigentlich von allen Autoren artig genannt. Nur einmal ist mir ein Fehler aufgefallen (aber ich habe freilich auch nicht alles überprüft).

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