Montag, 28. April 2014

Die Fellkleidung der Germanen - Ein Mythos?


Caesar schreibt in seinen Commentarii de Bello Gallico über die Germanen: 
"... sie tragen nur Felle oder dürftige Pelzüberwürfe, wobei der größte Teil des Körpers nackt bleibt."  (Buch VI, 21,5)
Nun ist es durchaus denkbar, dass Caesar diese Aussage deshalb tätigte, weil er - ganz in der Tradition des griechischen Gelehrten Poseidonios - seinen Lesern so verdeutlichen wollte, dass die Germanen auf einer besonders niedrigen Kulturstufe standen; sogar noch tiefer als die keltischen Gallier.
Zwar hat die Archäologie einerseits längst widerlegt, dass sich Germanen ausschließlich in Felle kleideten, doch andererseits gibt es nicht zu vernachlässigende Hinweise darauf, dass Felle bzw. Leder, verglichen mit dem römisch-griechischen Kulturkreis, trotzdem eine sehr große Bedeutung besessen haben dürften. Rund 50 Prozent der in dänischen Mooren gefundenen Kleidungsfragmente germanischen Ursprungs bestehen beispielsweise aus Fellen. Hierbei muss freilich bedacht werden, dass sich pflanzliche Textilien, wie Leinen, in Moorböden kaum erhalten. 
Zum einschlägigen Fundgut zählen besonders häufig Unisex-Umhänge; siehe das oben abgebildete Beispiel, für das sechs(!) Schafe ihr Leben lassen mussten. Dieses aus der germanischen Eisenzeit stammende "Cape" wurde mehr oder weniger symmetrisch zusammengenäht - soll heißen, auf der linken und rechten Seite verwendete man Fellstücke, die jeweils gleich zugeschnitten waren (es gibt jedoch auch asymmetrische Varianten). Schnittmuster und sorgfältige Machart legen den Schluss nahe, dass der Umhang von einer handwerklich erfahrenen Person jemandem quasi auf den Leib geschneidert wurden (obwohl Leder im Boden normalerweise nur wenig schrumpft, verzog es sich doch gerade so viel, dass die Umrisse heute leider nicht mehr sehr ebenmäßig aussehen; auch Beschädigungen tragen das Ihrige dazu bei).
Ebenfalls aus Fell gefertigt sind Funde von Kappen, Wickeln, Tuniken, Gürteln und Schuhen - woran die vielfältige Einsetzbarkeit dieses Materials abzulesen ist.
Interessanterweise wird diese Fundlage quantitativ nicht einmal annähernd von Living-History-Darstellern wiedergegeben, was natürlich in gewisser Weise zu einem Zerrbild der germanischen Mode führt. Mich persönlich beschleicht sogar der Eindruck, dass Tierfelle von vielen Germanen-Darstellern absichtlich gemieden werden, um nur ja nicht Caesars Bild vom vermeintlich primitiven Barbaren zu bestätigen. Dabei war und ist die Herstellung von guter Fell- bzw. Pelzkleidung eine durchaus anspruchsvolle Angelegenheit - da muss man nur einen Kürschner fragen!

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Quellen und Literatur-Empfehlungen:
  • K. Dross-Küpe | Die Macht der Toga | Verlag Schnell + Steiner | 2013 | Meine Rezension | Infos bei Amazon
  • Juliane Schwartz und Florian Peteranderl | Germanen selbst erleben! Kleidung, Schmuck und Speisen - selbst gemacht und ausprobiert | Theiss | 2012 | Infos bei Amazon


10 Kommentare:

  1. Hallo, gehe ich recht in der Annahme, dass dieser Fellüberwurf mit der Aasseite nach außen getragen wurde?
    Dass der Aufwand für die Anfertigung nicht klein war, kann ich mir jedenfalls gut vorstellen. Und billig dürfte das auch nicht gewesen sein, bei 6 Schafen!
    Irgendwie bilde ich mir außerdem ein, dass es ähnliche Überwürfe auch heute noch gibt, irgendwo bei osteuropäischen Hirten, oder so .....

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    1. Hallo, gehe ich recht in der Annahme, dass dieser Fellüberwurf mit der Aasseite nach außen getragen wurde?

      Hallo, kann ich zwar nicht zu 100 Prozent sagen, ist aber vorstellbar
      (Keine tolle Antwort, ich weiß. Aber mehr gibt die Quelle leider nicht her)

      "oder so..."

      Auch mir will scheinen, dass ich Menschen mit ähnlichen Schaffellumhängen schon einmal gesehen habe... nur wo... Klick mich
      ;)

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    2. Die Überwürfe sind durchaus als Wendejacken nutzbar….Soweit ich mich entsinnen kann ist die Trageseite nicht eindeutig, aber die Fleischseite haben sich Farbreste erhalten. Es gibt auf einige Rekos von diesen Mäntel in der Szene und auch Mützen (soweit ich weiß wurde auch kein Hund genutzt)

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    3. Kleidungsstücke wie Wadenwickel aus Hundefell sind mir bei Darstellern schon untergekommen. Angeblich stammten sie von eingeschläferten, altersschwachen Tieren.

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  2. Interessant wäre zu wissen, ob Leder/Fellbekleidung besonderer Güte zum Beispiel besonderen Gruppen innerhalb der germanischen Gesellschaft vorbehalten war. Gerade so ein Cape dürfte für die Wenigsten leistbar gewesen sein angesichts der zu tötenden Schafe.

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    1. Gerade so ein Cape dürfte für die Wenigsten leistbar gewesen sein angesichts der zu tötenden Schafe.

      Auf jeden Fall.
      Die Durchschnitts-Fellkleidung für den Otto-Normal-Germanen (oder Kelten) war deshalb vermutlich auch asymmetrisch (natürlich konnte man nicht immer den sozialen Status des Trägers feststellen), soll heißen, bei der Auswahl der verwendeten Fellstücke war man hier weniger wählerisch und nahm einfach was da war.

      Und weil mich heute jemand schon darauf aufmerksam gemacht hat - unter folgendem Link findet man zwei Rekonstruktionen von Fellkleidung:
      http://rete-amicorum.de/bildergalerien/kleidung/bilder/metallzeiten/metallzeiten.html

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    2. Reine Spekulation…Preise und Wertigkeit hängen von der Verfügbarkeit ab. Zwischen Viehzüchtern oder reinen Ackerbauern würde es schon die größten Unterschiede geben in der Wertigkeit. Auch die Eigentumsverhältnisse spielen eine Rolle , ist der Schäfer Eigentümer der Schafe oder handelt er im Auftrag? Bei den Germanen ist laut Tacitus der Besitz des Viehs das höchste, auch dessen Diebstahl. Für die Friesen ist der Handel und mit dem römischen Militär über Rinderhäute beschrieben und dessen Qualitätsprobleme. Insgesamt dürfte der Rohstoff gut verfügbar gewesen sein.

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  3. Hallo, die Disskussion Fell oder nicht geht mir langsam auf den Keks (Wikireenactment) und ich brauch bitte ein paar Quellen für Felle... Mäntel etc. Für Skandinavien ab 800 n. Chr. .. das Argument ist immer.. wurde nicht gefunden und Flohproblem..ich kann mit nicht vorstellen das alle Felle hatten.. nur die Skandinavier nicht.. hilfee

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    1. Archäologische Funde kann ich dir leider für diese Zeit auch keine nennen. Allerdings geht die Forschung durchaus davon aus, dass Fellkleidung (von domestizierten Tieren wie Schafen) von Wikingern verwendet wurde - vor allem auf Seereisen. In Kurt Schietzels Buch "Spurensuche Haithabu" wird explizit darauf hingewiesen.

      Während dem gesamten Frühmittelalter gibt es Hinweise auf Fellbekleidung. Laut Einhard trug z.B. Karl der Große Kleidung aus Otterfell - und auch im Klerikergrab von St. Ulrich und Afra fanden sich entsprechende Reste. Dass ausgerechnet die Skandinavier, die in einem rauen Klima lebten, darauf verzichteten, obwohl es doch offensichtlich eine lange Tradition gab, Fellkleidung herzustellen (siehe obigen Blogbeitrag, der sich auf die Eisenzeit bezieht) halte ich für sehr unwahrscheinlich.

      Nicht vergessen darf man, dass "haarige Kleidung" (=Fell) von den Wikingern nachweislich in religiösem Zusammenhang verwendet wurde.
      http://hiltibold.blogspot.co.at/2013/08/berserkir-und-ulfhednir.html

      Vielleicht hilft dir daher ein Blick in in folgendes Buch weiter (werde es mir selbst noch kaufen).
      http://tinyurl.com/lk2y4p5

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  4. Hilf mir mal bitte.. es hält sich hartnäckig der Mythos das es KEINE Felle(max Besatz) bei den Wikingern gab.. hast du da was? In Birka steht auch nur was von Besätzen.

    Freyah Valtersdottir

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