Sonntag, 10. Juli 2016

Buch: Das römische Eigenheim / De Architectura privata

De Architectura privata - sehr frei als Das römische Eigenheim übersetzt - ist die einzige erhaltene antike Schrift, die sich ausschließlich mit dem Bau privater Wohnhäuser auseinandersetzt. 
Marcus Cetius Faventinus, der vermutlich im 3. Jh. n. Chr. lebende Autor, greift etliche Punkte von Vitruvs umfangreichem Werk De architectura libri decem (spätes 1. Jh. v. Chr.) auf, bediente sich jedoch einer allgemein verständlicheren Sprache und fügte neue Erkenntnisse hinzu - wie etwa ein besseres Mischungsverhältnis für Kalkmörtel.
Von De architectura privata sind heute 22 Abschriften bekannt. Besonders in der sogenannten "Karolingischen Renaissance" scheint das Buch relativ beliebt gewesen zu sein. Aus dieser Zeit haben sich nicht nur mehrere Kopien erhalten (z.B. der in St. Gallen verfasste Codex Scletstatensis), sondern auch diverse Bibliotheksverzeichnisse, in denen zwischenzeitlich verlorene Ausgaben gelistet sind (z.B. im Kloster Reichenau). Es darf also angenommen werden, dass auch die Mönche des Mittelalters De architectura privata noch des Öfteren zu Rate gezogen haben.

Faventinus geht in seinem Werk auf die verschiedensten Aspekte ein, die zu seiner Zeit beim Bau eines privaten Wohnhauses von Bedeutung waren. Hierbei wird deutlich, dass sein Augenmerk besonders Landhäusern gilt; etwa wenn vielerlei Tipps zum Auffinden von Trinkwasser und dem Graben eines Brunnens gegeben werden - etwas, das in einer städtischen Umgebung ja nicht von besonderem Interesse war, da es dort ein gut ausgebautes Wasserleitungsnetz gab (siehe dazu auch meinen Beitrag: Die faszinierenden Methoden zur Suche und Qualitätsprüfung von Trinkwasser in der Antike).
Bei einigen der von Faventinus aufgestellten Behauptungen stellt sich mir freilich die Frage, inwieweit sie ernst zu nehmen sind. Etwa wenn es heißt, dass Lärchenholz quasi feuerfest sei. Und dieses Beispiel führt mich auch gleich zum einzigen echten Kritikpunkt an dieser im Marix Verlag erschienenen Ausgabe: Auf erklärende Fuß- oder Endnoten wurde verzichtet. 
Ansonsten hat der routinierte Übersetzer und Althistoriker Kai Brodersen solide Arbeit abgeliefert: Neben einem Register gibt es eine recht ausführliche Einleitung, in der unter anderem antike Maßeinheiten und Baustoffe genauer erörtert werden (das bügelt die fehlenden Fußnoten z.T. aus). Wie man es auch von den orange eingebundenen Publikationen Reclams her kennt, findet sich auf der jeweils linken Seite des Buchs der (lateinische) Originaltext, während rechts die (deutsche) Übersetzung steht. 

Fazit: Das römische Eigenheim ist eine zeitgemäße, gut leserliche Übersetzung, die einen sehr interessanten Einblick in das Bauwesen des antiken Roms gibt.  


Inhaltsverzeichnis:

Einführung
- Antikes Fachwissen über Architektur
- Vitruvius' Werk bei Cetius Faventinus
- Zur Person des Autors
- Die Zielsetzung des Werks
- Bei der Leserschaft als bekannt Vorausgesetztes
- Maßeinheiten, Baustoffe und Personen
- Die Werke von Vitruvius und Cetius Faventinus
- Im Mittelalter und in der Neueit

Marcus Cetius Faventinus:
Kurzes Buch über die private Nutzung von Baukunst, lateinisch und deutsch
- Inhaltsübersicht
- Prolog
- Grundlage der Baukunst
- Winde
- Auffindunge von Wasser
- Graben und Außenmauern von Schächten
- Prüfung der Brauchbarkeit von Wasser
- Wasserzuleitung
- Maßverhältnisse und Gewichte von Röhren
- Prüfung der Beschaffenheit von Sand
- Prüfung der Brauchbarkeit von Kalk
- Herstellung von Lehmziegeln für den Putz
- Arten von Bäumen und Brauchbarkeit des Einschlags
- Planung eines städtischen Bauwerks
- Maßverhältnisse von Gebäuden
- Gewerke der Baderäume
- Decken von Baderäumen
- Glättung von Estrich
- Aufbau von Estrich über einem Gebälk
- Prüfung von Kalk für Stuck
- Schilfrohrdecke
- Glättung von Wänden aus Gussmauerwerk
- Gesimse
- Abdichtung von Wänden aus Gussmauerwerk an feuchten Orten
- Winter-Speiseräume sollen nur mit geringeren Bildern geziert werden
- Damit Estriche im Winter lau sind
- Arten von Farben
- Erfindung der Norma
- Einrichtung der Uhr

Anhang
- Zu dieser Ausgabe
- Himmelsteile und Windrose
- Karte
- Konkordanzen zu Vitruvius und Palladius
- Weiterführende Literatur
- Register

—————–

Weiterführende Informationen:

Weitere interessante Themen auf diesem Blog:


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Kommentare werden entweder automatisch oder von mir manuell freigeschalten - abhängig von der gerade herrschenden Spam-Situation und wie es um meine Zeit bestellt ist.