Donnerstag, 30. März 2017

Krimskrams: Alltagskleidung aus Leinen im Frühmittelalter? -- Mahnung wegen Rezensionsexemplar -- Goldmünze gefladert -- Das DAI macht auf globalesisch

Hiltibold in Tunika aus leichtem Leinen.
Der Kopf ging wieder einmal nicht aufs 
Bild. 
Das hat allerdings den Vorteil, dass die 
Geheimdienste mich nicht mit ihrer
Gesichtserkennung erwischen können 😊
Laut vor mich hingedacht: Alltagskleidung aus Leinen im Frühmittelalter?

Die Verantwortlichen meiner Lieblings-Mittelalterbaustelle sind bekanntermaßen um keine Ausrede verlegen, wenn es darum geht, selbst leicht vermeidbare Anachronismen des Projekts irgendwie schön zu reden. Unter anderem behauptet man, die massenhaft zum Einsatz kommende Kleidung aus Leinen sei für das dargestellte Frühmittelalter historisch begründbar. 
Ausnahmsweise teile ich in diesem Fall die Meinung der Möchtegern-Klosterbaumeister, wiewohl die ebenfalls aufgestellte Behauptung nachweislicher Unsinn ist, dass Leinenkleidung im Frühmittelalter quasi nie gefärbt worden sei. Aber das ist eine andere Geschichte - siehe dazu diesen und diesen Blogbeitrag, wo einige der entsprechenden Quellen genannt werden.

Kleidung aus typischer Schurwolle ist - verglichen mit Leinen - stark wärmeisolierend und kratzig. Kühlendes Leinen wäre daher beispielsweise für Tuniken gerade im Sommer das Material der ersten Wahl.
Doch es wird gerne eingewandt, Leinen sei doch deutlich teurer als Wolle gewesen - und nicht jeder konnte sich daher Alltagskleidung aus diesem Material leisten.
Wirklich? Gerade bei schweißtreibenden Temperaturen dürften viele Männer mit freiem Oberkörper gearbeitet und auch gekämpft haben - wie schriftliche Überlieferungen und auch der gesunde Menschenverstand nahelegen. Von daher wird Leinenkleidung gar nicht rund um die Uhr getragen worden sein; was die Kleidung in weitere Folge schonte und keine allzu häufige Neuanschaffung nötig machte. Eine ähnliche Annahme gilt auch für den Winter: Dann wurde z.B. die Tunika aus Leinen ohnehin unter einer Wolltunika getragen, sodass auch hier der an sich schon vergleichsweise robuste Leinenstoff weniger schnell verschliss. 

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Mahnung wegen Rezensionsexemplar

Ich glaubte an einen verfrühten Aprilscherz, als mir neulich eine Mahnung ins Haus flatterte, in der es hieß, ich möge doch für ein kürzlich erhaltenes Rezensionsexemplar endlich den Rechnungsbetrag überweisen. 
Die haben wohl nicht mehr alle Latten am Zaun, dachte ich mir. Wenige Minuten nachdem ich per E-Mail beim Verlag nachgefragt hatte, was dieser Brief soll, bekam ich auch schon die Antwort, dass es sich dabei um einen Irrtum handelt, der leider immer wieder einmal (!) vorkommt. 
Na ja, zumindest die Pressestelle funktioniert vorbildlich, wenn schon nicht die Buchhaltung ^^

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Das DAI macht auf globalesisch

Was ist eigentlich mit dem DAI los? Das sogenannte Deutsche Archäologische Institut veröffentlicht auf seinem Youtube-Kanal haufenweise Videos, die nicht in deutscher, sondern in englischer Sprache sind. Besonders absurd wird es, wenn man über den deutschen O-Ton von interviewten Wissenschaftlern eine englische Übersetzung legt. Falls die Verantwortlichen meinen, damit würden mehr internationale Seher erreicht werden, dann ist das ein Irrtum, denn die Aufrufzahlen sind sehr bescheiden. Gerade die deutschsprachigen Videos werden noch am ehesten geschaut.
Es wäre die verdammte Pflicht und Schuldigkeit der Bundesanstalt (!) DAI, Ihren Geldgeber, den üblicherweise deutschsprachigen Steuerzahler der BRD, in seiner Muttersprache zu informieren. Erst wenn man dieser Aufgabe nachgekommen ist, sind z.B. fremdsprachige Übersetzungen denkbar. 
Interessant ist übrigens, dass unter allen Youtube-Videos des DAI neuerdings die Kommentarfunktion deaktiviert ist. Ein merkwürdiger Schritt. Waren die Rückmeldungen dermaßen negativ?

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Goldmünze gefladert

In Berlin hat man eine Goldmünze aus dem Bode-Museum gestohlen - und zwar eine rund 100 Kilogramm schwere Goldmünze im Wert von 3,7 Millionen Euro! Scheinbar waren die Sicherungsmaßnahmen mangelhaft.
Aber woran erinnert mich die Inkompetenz der Verantwortlichen nur? Ach ja, genau: Vor einigen Jahren war es jemandem aufgrund ähnlicher Schlamperei gelungen, aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien die Saliera zu stehlen; ein kitschiger Salzbehälter, der auf rund 50 Millionen Euro versichert war. Immerhin, das Ding ist wieder aufgetaucht. Die aus dem Bode-Museum gestohlene Goldmünze dürfte hingegen umgehend zerteilt und eingeschmolzen werden...

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11 Kommentare:

  1. Ich halte es für einen Szene-Mythos, dass Leinen hauptsächlich von Wohlhabenden getragen worden ist, nicht aber auch von Bauern. Flachs gehört zu einer im großen Umfang in Europa angebauten Kulturpflanze. Die daraus fabrizierten Stoffe hat man bestimmt nicht nur an den Adel und den Klerus weiterverkauft. Der Bauer wird sich auch selbst etwas gegönnt haben.

    Guinevere

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    1. Und vor allem darf man nicht vergessen: Leinen gab es in unterschiedlichen qualitativen Abstufungen. Der Leinenstoff, der in irgend einer Überlieferung finanziell hoch bewertet wurde, muss nicht zwangsläufig qualitativ mit dem Material übereinstimmen, dass der Bauer bzw. die breite Masse der Bevölkerung verwendet hat.

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    2. Hallo ich habe mir vor längerer Zeit einmal die Textilfunde in Baiuwarischen Gräbern anhand der Ausgabungsbefunde einmal näher betrachtet:

      Leinen ist nicht eine Frage ob betucht :lol: oder nicht sondern ob Leinen in der Gegend üblich und einfach erhältlich war,
      UND
      Vorsicht die Fundsituation spiegelt nur den Erhaltungszustand im Fundkomplex wieder.
      Ein kleiner Rückblick vor unsere Zeit.

      So sind in Bayerischen Gräbern der späten Merowingerzeit, (speziell 7/8.Jahrhundert, da kenn ich mich besser aus) in diversen Gräbern sowohl Leinen als auch Wolle gefunden worden. Leider überwiegend nur im ankorrodierten Zustand und nicht als Kleidung. Man findet sowohl in Gräbern die arm, als auch solchen die reich angesprochen wurden, beide Arten von Stoff.

      Was eher heraussticht ist, die Gräber mit reicher Ausstattung enthalten überwiegend feinere Stoffe, als Gräber mit ärmerer Ausstattung.
      In reichen Gräbern konnten sogar Seiden festgestellt werden.

      Also in unserer Gegend (alt baiuwarischer Raum)kannst du sowohl als auch beides ohne Probleme tragen, wie die Situation im Norden ist kann ich leidern icht so gut wiedergeben, da ich mich auf regionale Funde beschränkt hatte.
      Wenn ich es noch recht im Gedächtnis habe war die Situation ca. 60% Wolle/ 40% Leinen im Verhältnis, wobei ich nur die eindeutig identifizierten Befunde berwertet habe.
      Falls von Interesse suche icm meine alten Zusammenfassung mal raus.

      Grüße
      der Uhl

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    3. Die Häufigkeit von Leinenfunden hängt ja stark von den Bodenbedingungen ab: In sauren Böden erhalten sich textile Proteinfasern (Schurwolle, Seide) besser, als Zellulosefasern (Leinen).
      Das wäre auf jeden Fall zu berücksichtigen. Leider finden sich Informationen zum pH-Wert des Bodens in den meisten der zugänglichen Grabungsberichte nicht. Deshalb lässt sich schwer abschätzen, ob Leinen aufgrund der Bodenbedingungen unter- oder über repräsentiert sein könnte.

      Zur Situation im Norden: Gibt es dort nicht mehr Moorböden als im Süden? In Moorböden würde sich Leinen nämlich über so lange Zeiträume kaum erhalten, sondern vor allem Tierfasern.

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  2. Die absurden Praktiken des DAI erinnern mich an eine öffentliche Skandalrede des damaligen Ministerpräsidenten Oettinger vor 12 Jahren (heute EU-Kommissar):
    Deutsch als Amts- und Unterrrichtssprache werde in Deutschland künftig abgeschafft und durch Englisch ersetzt. Nur noch im privaten Bereich bleibe der Gebrauch des Deutschen erlaubt.
    Das skandalöseste an dieser Rede war wohl die ausgebliebene Skandalisierung. Weder musste Oettinger zurücktreten, noch wurde er aus der CDU ausgeschlossen, noch hat ein Hahn danach gekräht, außer der FAZ, die eine ganzseitige kritische Stellungnahme eines Germanistikprofessors abdruckte. Dieser Vorfall hat mir damals die Augen geöffnet, was die politische Elite, wie auch den Großteil der Medien angeht. Wer solche Eliten hat, braucht wahrlich keine Feinde mehr!
    Leser

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    1. Ausgerechnet DER Oettinger, der selber kein Englisch kann? War das ein Aprilscherz?
      - Fränkin -

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    2. Nein, auch wenn die Rede im Netz wenig bekannt und verbreitet ist. Die FAZ - und nur diese - hat dem eine ganze Seite gewidmet. Man sieht daran, auf welche Auslöschung des Deutschen die hiesigen Eliten, insbesondere die führenden Politiker der EU, abzielen.
      Leser

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    3. Beim Öttinger frage ich mich, was weiß der Unschönes über andere Spitzenpolitiker in der CDU, dass man ihm trotz seines ständigen Versagens einen Top-Posten nach dem anderen zuschanzt?
      C3PO

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    4. So ist das mit der internationalisierten Wissenschaft und der Wissenschaftskommunikation im 21. Jahrhundert, das ist auch für englischsprachige Nutzer interessant - und dann spricht man halt mal englisch. Isso.
      - flansche

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  3. Im MA ist Kleidung auch noch geflickt worden. Da hat man nicht gleich etwas weggeworfen, nur weil ein kleines Loch drinnen war. Solche Ausbesserungsarbeiten sieht man auch bei einigen archäologischen Textilfunden. Eine Tunika oder Hose aus Leinen konnte man daher selbst bei Beschädigung noch relativ lange verwenden. Die Überlegung, Leinen war zu teuer, halte ich deshalb auch für falsch.
    LG,
    Erwin

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  4. Kein Drama. Dass in Berlin ständig etwas gestohlen wird, gehört dort zum Alltag ;-)

    Der Wanderschmied

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