Mittwoch, 19. Juli 2017

Zeitschrift "Bayerische Archäologie": Der Schatz von Bernstorf und ein interessantes römisches Kettenhemd

Viermal jährlich erscheint im Verlag Friedrich Pustet die Zeitschrift Bayerische Archäologie. Die einzelnen Ausgaben haben unterschiedliche Schwerpunkte, enthalten daneben aber auch noch Artikel zu weiteren Themen. 

Im aktuellen Heft mit dem Titel Von den Römern zu den Bajuwaren widmet man sich unter anderem dem "Bernstorf-Drama"; gemeint ist hier der immer wieder durch die Medien geisternde bronzezeitliche Goldschatz, über dessen Echtheit große Uneinigkeit herrscht. Jene Fachleute, welche den Schatz für authentisch befinden, veröffentlichten kürzlich ein Buch (ISBN 978-3-927806-43-6), in dem sie ihre Ansichten verteidigen. Der Artikelautor von Bayerische Archäologie neigt nach der Lektüre eben dieses Buches dazu, den Bernstorf-Verteidigern zuzustimmen und erläutert im Detail und allgemein verständlich seine Gründe dafür. Nun wäre allerdings abzuwarten, wie die Gegenseite auf die oben erwähnte Bernstorf-Publikation reagieren wird.
Abseits der Frage, ob der Schatz echt oder eine Fälschung ist, wird überdies auf Aspekte zum Fundort hingewiesen, die bei der mitunter recht aufgeregten Diskussion zumeist unter den Tisch fallen: Große Teile der bronzezeitlichen Anlage in Bernstorf wurden zwecks Erschließung eines Kiesvorkommens undokumentiert weggebaggert, wobei Bauarbeiter mehrfach nun verschollene Bronzeartefakte beobachteten. Das Bayerische Amt für Denkmalpflege habe die Bedeutung der Fundstätte lange Zeit völlig unterschätzt und soll überdies engagierten Laien vor Ort, die sich für Erhalt sowie Erforschung des Bodendenkmals stark machten, Steine in den Weg gelegt haben. Weiter heißt es:

Dass Laien, wenn sie bedeutende Funde machen, häufig von professionellen Archäologen misstrauisch beäugt werden, und dabei auch Neid gegen die nicht vom Fach Seienden eine Rolle spielt (besonders wenn es eine starke mediale Aufmerksamkeit gibt), ist ein wohl nicht abzustreitendes Phänomen.


Der Autor eines anderen Beitrages beschäftigt sich mit der Geschichte des Legionslagers der 3. Italischen Legion in Regensburg (Castra Regina). Ziemlich interessant fand ich in diesem Zusammenhang die Rekonstruktionszeichnung eines römischen Soldaten aus der 1. Hälfte des 3. Jahrhunderts nach Christus, der u.a. mit Funden aus Regensburg und Eining ausgerüstet ist. Zuerst dachte ich, der Mann trägt eine karierte Tunika; erst auf den zweiten Blick erkannte ich, dass es ein Kettenhemd ist, dessen rechteckige Grundmodule aus Eisen/Stahl mit Bronzeringen zusammengeheftet wurden. Diese außergewöhnliche Bauform habe ich bisher glaube ich noch nirgendwo sonst gesehen. 



Ins Grübeln brachte mich die Ankündigung zu einer Lehrgrabung im kommenden August in Altenerding. Mindestdauer eine Woche, Kosten 100 € (NICHT inkludiert sind hier Übernachtung und Essen). 
Bezahlen für einen mitunter körperlich anstrengenden Hiwi-Job? Sollten die Verantwortlichen nicht stattdessen jedem die Füße küssen, der seinen Sommerurlaub opfert und seine Arbeitskraft kostenlos in den Dienst der Wissenschaft stellt? 
Das Thema hatte übrigens auch schon ein Leser unter meinem Interview mit dem Archäologen Raimund Karl recht kritisch angesprochen.

Fazit: Überwiegend interessanter, abwechslungsreicher Lesestoff. Der Kaufpreis beträgt knapp 9 Euro.

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3 Kommentare:

  1. Mit dem bayerischen Landesamt für Denkmmalpflege habe ich auch schon mehrmals zu tun gehabt. Die Bezeichnung borniert umschreibt deren Attitüde am besten. Was sie sich in Bernstorf geleistet haben ist eigentlich ein Skandal, kommt aber in ähnlicher Form ständig vor.
    C3PO

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  2. "wobei Bauarbeiter mehrfach nun verschollene Bronzeartefakte beobachteten" - Du sitzt da vielleicht einem größeren Loch der Bernstorf-Story auf. In www.youtube.com/watch?v=SL9bAmtt6DM ab 12:30 kannst Du Dir das mal in längerer Form anhören. Da sinds sogar "Waffen, Helme, Brustpanzer". Ich kenne dafür keine andere Quelle als Dr. Moosauer. Ich wüßte jetzt nicht, daß Prof. Gebhard das aufgegriffen hätte.

    Es wäre schön, wenn mal irgendeiner dieser Helme aufgetaucht wäre. Es wäre auch schön, wenn Roland Gschlössl in seinem Artikel in solchen Fällen Angaben zur Quelle seiner Behauptungen machen würde. Ich habe das Heft nicht gekauft, kenne den Artikel von der academia.edu-Seite von Prof. Dr. Rüdiger Krause.

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    1. Ja, das ist alles ein wenig mysteriös.
      Ich bin zwar auch skeptisch (vor allem was die Echtheit betrifft), aber aus meiner Sicht ist es schwierig, sich als Außenstehender dazu eine wirklich fundierte Meinung zu bilden. Man darf auf jeden Fall gespannt sein, wie sich der Fall weiter entwickeln wird.
      Der Radiobeitrag ist übrigens sehr interessant. Danke für den Hinweis!

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