Montag, 5. Februar 2024

đź“– Buch-Rezension: Kleidung & Waffen der DĂĽrerzeit (1480-1530), Band 2


Mit einem Jahr Verzögerung ist im vergangenen Herbst der zweite und letzte Band von "Kleidung und Waffen der Dürerzeit" im Zeughaus Verlag erschienen (hier meine Rezension des ersten Bandes). Der Autor und Historiker Ulrich Lehnart betont, dass er die Bücher als einen Beitrag zu qualitätsorientiertem Living History bzw. Reenactment versteht. So etwas höre ich gerne!

Zeitlich bewegt man sich im vorliegenden Band ca. zwischen 1480 und 1530. Räumlich wiederum liegt der Schwerpunkt im deutschen Sprach und Kulturraum. Hier bleib demnach - verglichen mit dem 1. Band - alles beim Alten.
Thematisch handelt es sich um eine Darstellung der Kleidung von Bürgern, Bauern und Adeligen sowie der Bewaffnung von Bürgern und Bauern. Frauen werden hier ebenfalls umfangreich berücksichtigt. Was durchaus herauszustreichen ist, denn ähnlich gestrickte Bücher konzentrieren sich gerne exklusiv auf den militärischen Bereich, der allerdings eine rein männliche Domäne war (wenn man von den Trossfrauen absieht). Auch beschränkt sich der Autor nicht auf die Oberbekleidung, sondern er betrachtet darüber hinaus auch die Unterbekleidung relativ ausführlich. Ebenso wird auf die verwendeten Stoffe eingegangen. Das sind alles weitere Pluspunkte, da dergleichen bei anderen Autoren oft unter den Tisch fällt.

Gut drei Viertel des Buchs beschäftigen sich mit der Mode, ein Viertel mit den Waffen, was nur konsequent ist, denn die tendenziell komplizierte Bekleidung dieser Epoche stellt ein wesentlich umfangreicheres Themengebiet dar. Außerdem wurde hinsichtlich der Bewaffnung schon vieles im 1. Band erörtert; deshalb belegen die entsprechenden Erörterungen dort ca die Hälfte des Inhalts. Allerdings handelte es sich primär um die Waffen der Ritter, der Adeligen und der Söldner. Im zweiten Band sind es nun, wie schon oben erwähnt, die Waffen der Bürger und Bauern. Wobei es dabei natürlich Überschneidungen gab. Das ist auch einer der Gründe dafür, warum ich die Strukturierung der beiden Bände als nicht ganz glücklich erachte. Eine strikte Trennung zwischen Kleidung und Waffen wäre mir lieber gewesen. Gerade die gewählte Form der Veröffentlichung - nämlich in zwei Bänden - hätte sich dafür angeboten.

Die Illustrationen im Buch sind vorbildlich (siehe unten). Es wurden nicht nur alte Gemälde als Belege herangezogen, sondern auch erhalten gebliebene OriginalstĂĽcke sowie zeichnerische und tatsächlich geschneiderte Rekonstruktionen. Die Details sind gut zu erkennen, was umso wichtiger ist, wenn man selbst Kleidung aus dieser Epoche anfertigen möchte. Darunter finden sich Exoten wie eine in der Karlsruher Passion dargestellte "Hirnhaube" aus geflochtenem Hanfseil, die im Kampf den Kopf bzw. das Hirn schĂĽtzen sollte (fĂĽr heutige Parteipolitiker wäre so etwas ein völlig ĂĽberflĂĽssiges Accessoire). 



Fazit: Ulrich Lehnart hat hier unĂĽbersehbar viel Zeit und Recherchearbeit investiert. "Kleidung und Waffen der DĂĽrerzeit" ist dementsprechend ein solides Werk. Die AusfĂĽhrungen sind in der Regel mit Originalquellen hervorragend belegt. Dort wo das aufgrund der schlechten Quellenlage nicht möglich ist, z.B. bei bestimmten Schnittmustern, wirken die Interpretationen meiner Einschätzung nach stimmig. 
NatĂĽrlich sind die beiden Bände nicht nur fĂĽr die Betreiber sogenannter "performativer Geschichtsdarstellung" von Nutzen. Fällt der betrachtete Zeitraum doch mit der zentralen Phase des Wirkens von Martin Luther, der Entdeckung der neuen Welt sowie der beginnenden Renaissance zusammen und ist somit von allgemein groĂźer historischer Wichtigkeit. Kleidung ist dabei als Bedeutungsträger ein nicht zu vernachlässigender Aspekt. Gerade die Mode dieser Zeit, die man oft nur als "extravagant" bezeichnen kann (wer wĂĽrde z.B. heute noch seine Hose mit Bändern an der Jacke befestigen?!), gibt deshalb einen schönen Einblick in das LebensgefĂĽhl und den Alltag der damaligen Menschen. 
Und zum Schluss der Preis: Mit rund 40 Euro ist er im Angesicht des Gebotenen wirklich nicht zu hoch. Der erste Band kostet 4 Euro weniger.

—————–



2 Kommentare:

  1. Der erste Band ist ein bisschen dĂĽnner, deshalb kostet er wahrscheinlich weniger.

    Ich werde mir auf jeden Fall auch den zweiten Band kaufen.

    Gero

    AntwortenLöschen
  2. Gebe dir absolut recht, die beiden Bücher sind ganz toll. Ich hätte etwas vergleichbares auch gerne für andere Epochen.

    AntwortenLöschen

Kommentare werden entweder automatisch oder von mir manuell freigeschalten - abhängig von der gerade herrschenden Spam-Situation und wie es um meine Zeit bestellt ist.