Montag, 8. Juli 2013

Der vielbewunderte Philosophenkaiser als Christenverfolger


Marcus Aurelius ging nicht nur als sogenannter "Philosophenkaiser" in die Geschichte ein, sondern auch als ein von den Kirchenvätern verfluchter Christenverfolger. Inwieweit es ihm tatsächlich ein Anliegen war, gegen die christlichen Bevölkerungsteile des Römischen Reichs vorzugehen, ist ungewiss. In einem Schreiben an den gallischen Stadthalter befiehlt der Kaiser beispielsweise, dass jene, die sich standhaft zum Christentum bekennen, hinzurichten seien. Die Leugner jedoch, die ihrem Glauben abschwören, sollten verschont werden.
Trotz des dargebotenen Auswegs starben laut Eusebius innerhalb kürzester Zeit zehntausende Christen einen qualvollen Märtyrertod; so viele wie seit Neros unseligen Zeiten nicht mehr. Die Grundlage für dieses plötzliche Auflodern antichristlicher Maßnahmen beruht interessanterweise auf einer Verkettung unglücklicher Umstände, die hier kurz erörtert werden sollen.

Im Zuge der Markomannenkriege sah man sich dazu genötigt, auch Gladiatoren in die römischen Streitkräfte aufzunehmen. Dies führte dazu, dass Arenakämpfer alsbald ein rares und teures Gut darstellten. Viele Städte, deren Finanzen durch den langjährigen Krieg ohnehin arg in Mitleidenschaft gezogen worden waren, konnten sich die Veranstaltung von Gladiatorenspielen deshalb kaum noch leisten.
Da die allgegenwärtige Massenunterhaltung allerdings eine Grundsäule der römisch-kaiserlichen Herrschaftspolitik war ("Brot und Spiele"), sah sich Marcus Aurelius zum Eingreifen genötigt: Im Jahr 177 n. Chr. ließ er vom Senat Preisobergrenzen für Gladiatoren festlegen.
Wer mit den Gesetzmäßigkeiten der Marktwirtschaft vertraut ist, kann sich allerdings leicht ausmalen, was diese staatliche Regulierungsmaßnahme bewirkte: Es wurden nun noch weniger Gladiatoren angeboten, da viele Sklavenhändler und Gladiatorenschulen mit dem in Aussicht gestellten Gewinn unzufrieden waren. 
Vor allem in Gallien schien diese Entwicklung in zunehmendem Maße ein Problem darzustellen. Deshalb ging man dazu über, Verbrecher, die eigentlich am Kreuz hätten sterben sollen, für vergleichsweise wenig Geld an die Veranstalter einschlägiger Volksbelustigungen abzugeben. Jedoch nicht, damit die Verurteilten in der Arena als Gladiatoren kämpften (= damnatio ad ludos) - dazu hätte es nämlich einer langen und teuren Ausbildung bedurft. Vielmehr stellten sie eine Art Ersatzprogramm dar und sollten, zum besonderen Gaudium der Massen wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen werden (= damnatio ad bestias). Bei dieser Form der Hinrichtung, wurden die Todeskandidaten häufig an einen Pfahl oder ein Gestell gebunden und per Handwagen zu den Raubtieren in die Arena verfrachtet (siehe obiges Bild). 
Mit derlei Spektakeln konnte das Volk allem Anschein nach über den eklatanten Mangel an guten Gladiatorenkämpfen hinwegtröstet werden. Doch überstieg auch hier die Nachfrage bald das Angebot.
In dieser Situation begannen skrupellose Lokalpolitiker damit, die Gefängnisse und Arenen auf eigene Faust mit Verurteilten zu füllen. Der Vorwurf jemand sei Christ dürfte hierbei der einfachste Weg gewesen sein, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Und so starben zigtausende Menschen, die ihren Glauben nicht verleugnen wollten, unter den Fängen von Löwen, Leoparden, Panthern und Bären.

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Weiterführende Literatur: 
  • Gefährliches Pflaster - Kriminalität im Römischen Reich, von Romina Schiavone u. Marcus Reuter, 2011 | Meine Rezension | Infos bei Amazon
  • Um keinen Kranz, um das Leben kämpfen wir - Gladiatoren im Osten des Römischen Reichs und die Frage der Romanisierung, von Christian Mann, 2011 | Infos bei Amazon
  • Christenverfolgung im Römischen Reich - Ihre Hintergründe und Folgen, von H.D. Stöver, 1982 | Infos bei Amazon

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