Der um 485 v. Chr. geborene Herodotos von Halikarnassos verfasste ein aus neun Büchern bestehendes Geschichtswerk, das heute zu den bedeutendsten Schriftquellen der Antike zählt: Die sogenannten "Historien". Ihr mehr oder weniger chronologisch geordneter Inhalt reicht von der mythischen Zeit der alten Griechen bis zu den Perserkriegen im ersten Drittel des 5. Jahrhunderts v. Chr. (eine übersichtliche Inhaltsangabe findet man hier). Anders als noch Homer stellt Herodot nicht die Götter, sondern den Menschen und seine Leistungen ins Zentrum der Betrachtungen. Dementsprechend berichtet er nicht nur über bedeutende Ereignisse und Personen, sondern betreibt auch ethnographische Studien.
Das prominenteste Buch der "Historien" ist fraglos das zweite, in dem der Autor vor allem das von ihm bereiste Ägypten betrachtet. Dabei weiß Herodot beispielsweise zu berichten, dass die Ägypter glaubten, sie seien die älteste Kultur. Und dass der ursprüngliche Name von Ägypten "Theben" lautete.
Herodot befasste sich aber nicht nur mit derlei historischen Überlieferungen aus zweiter Hand, sondern machte auch selbst viele Beobachtungen. So stellt er die These auf, dass das Nil-Delta eine verlandete Bucht sei, denn auf seinen Reisen durchs Land hatte er noch in höheren Lagen Muscheln aus dem Boden hervortreten sehen. Interessant ist hinsichtlich dieser Verlandungs-These Herodots auch, dass laut Auskunft ägyptischer Priester/Gelehrter der Nil 900 Jahre zuvor imstande gewesen wäre, bereits bei 8 Ellen Anstieg das Land mit fruchtbarem Schlamm zu überfluten, nun aber dafür 15-16 Ellen nötig seien. Apropos Überflutung: Etwas nebulös meint Herodot, (Meer)Salz würde die Pyramiden zerstören - was heute einige Forschern als Indiz dafür werten, die Pyramiden wären einst unter Wasser gestanden...
Zwischendurch macht Herodot immer wieder auch geographische Schlenker in Richtung anderer Regionen der damals bekannten Welt; etwa wenn er den Fluss "Istros" - also die Donau - erwähnt, die nahe der keltischen Stadt "Pyrene" entspringen soll. Dieses "Pyrene" wird bis heute von Historikern gesucht, obschon Lokalpolitiker aus primär touristischen Erwägungen behaupten, sie wären längst fündig geworden - und zwar in Deutschland, Stichwort "Heuneburg".
Ein wichtiger, hier unbedingt noch erwähnenswerter Aspekt von Herodots Erläuterungen Ägyptens ist sein Blick auf das Alltagsleben der Bewohner. So befasst er sich über mehrere Seiten hinweg nur mit der Einbalsamierung bzw. Mumifizierung Verstorbener. Auch beschreibt er sonstige religiöse Gebräuche, Kleidung, Kosmetik, Ernährungsweise und vieles mehr. Kurz gesagt, man hat es hier mit einer außerordentlich reichhaltigen historischen Quelle zu tun. Alles glauben darf man Herodot jedoch nicht, wie etwa aus der Beschreibung eines Flusspferdes hervorgeht, das bei ihm eine Mähne hat 😉
Für die vorliegende schwulstfreie/moderne Übersetzung (griechisch-deutsch) der "Historien" zeichnet der Althistoriker Kai Brodersen verantwortlich. Neben einer interessanten Einleitung enthält diese Ausgabe außerdem einen Anmerkungsteil mit vielen Endnoten, die das sinnerfassende Lesen erleichtern.
Fazit: An der Antike ernsthaft Interessierte sollten die "Historien" unbedingt in ihrer Bibliothek haben, ganz besonders aber das 2. Buch. Leider hat Reclam auch nach Jahren noch nicht Übersetzungen aller Bücher veröffentlicht. Der Kröner Verlag hingegen schon - siehe unten den entsprechenden Link zu meiner Rezension der betreffenden Ausgabe - die noch dazu recht günstig ist und in einem Festeinband daherkommt.
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Weiterführende Informationen
Weitere interessante Themen:
- Herodot und die Penis-Beschneidung - Wer hat's erfunden?
- Buch: Tutanchamun - Die Reise durch die Unterwelt
- Buch: Buch: Egyptian Art / Ägyptische Kunst
Vielleicht hat Herodot beim Salz an den Pyramiden sowas wie Ausblühungen gemeint?
AntwortenLöschenGuter Einwand! Ich bin mir ziemlich sicher, darüber auch schon mal etwas gelesen zu haben. Die modernen Vertreter der These, wonach die Pyramiden irgendwann einmal länger (bzw. oft) unter Wasser gestanden sind, hatten bezüglich der Ausblühungen ein Gegenargument vorgebracht. Leider weiß ich nicht mehr, was genau das war.
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