Donnerstag, 13. Dezember 2018

⚒️ Von unseriöser Experimentalarchäologie bis Campus Galli - Ein Interview mit dem Archäologen Achim Werner


Schon seit einigen Jahren ist der Trend zu beobachten, dass Freilichtmuseen inflationär mit dem Begriff "Experimentelle Archäologie" werben, obwohl ihr tatsächliches Angebot zumeist nur aus einem museumspädagogischen Programm mit Erlebnischarakter besteht. Es geht dabei also nicht um ein ernsthaftes wissenschaftliches Erkenntnisinteresse, sondern - salopp formuliert - um bloße Publikumsbespaßung, die oft genug von bescheidener didaktischer Qualität ist. Darüber - sowie über einiges mehr - habe ich mich im folgenden Interview mit dem Buchautor und erfahrenen Experimentalarchäologen Achim Werner unterhalten.



Lieber Herr Werner, Sie betreiben seit vielen Jahren Experimentelle Archäologie. Wie kamen Sie dazu und was sind Ihre Forschungsschwerpunkte?
Seit Ende der 1970er Jahre wurden unter Leitung von Prof. Dr. Jens Lüning am Institut für Ur- und Frühgeschichte Köln archäologische Experimente zur Landwirtschaft im Neolithikum durchgeführt und entsprechende Seminare angeboten, an denen ich teilgenommen habe. Im Rahmen meiner Magisterarbeit „Experimentelle Untersuchungen zur Rekonstruktion neolithischer Kuppelbacköfen“ habe ich dann in der ersten Hälfte der 1980er Jahre umfangreiche eigene Experimente zu diesem Thema durchgeführt und mich intensiv mit den Möglichkeiten und Fragestellungen experimenteller Archäologie beschäftigt. Im Laufe der Folgejahre habe ich, teilweise zusammen mit Fachkollegen, Experimente zum prähistorischen Bronzeguss, zur frühen Eisenverhüttung, zu römischen Brandbestattungen, zu Herstellung und Brand neolithischer Keramik, zur Herstellung von Birkenpech, zur Kleidung und Ausrüstung der kupferzeitlichen Gletschermumie Ötzi und zu mittelalterlichen Getreidedarren durchgeführt und die Resultate in Fachzeitschriften oder Ausstellungskatalogen publiziert. Hinzu kamen archäologische Experimente von Kollegen zu unterschiedlichen Themen, an denen ich beteiligt war und Erfahrungen sammeln konnte. Vor etwa 20 Jahren habe ich dann begonnen, mich intensiv mit (prä)historischer Ernährung zu beschäftigen und später entsprechende Kochbücher zu veröffentlichen.

In einem Interview mit mir, hat der praktizierende Historiker Marcus Junkelmann einen Qualitätsverfall im Bereich des Reenactments bzw. der 'Lebendigen Geschichte' beklagt. Die Verantwortung dafür wurde von ihm nicht nur bei den Darstellern, sondern auch bei den als Veranstalter in Erscheinung tretenden Freilichtmuseen verortet. Sie haben nun der Experimentellen Archäologie in Ihrem letzten Buch einen ähnlichen Abwärtstrend attestiert und sprechen dabei von “selbsternannten Experimentalarchäologen” und "pseudowissenschaftlichen Auftritten". Können Sie uns die Problematik näher erläutern?
Das Statement des von mir sehr geschätzten Kollegen Marcus Junkelmann möchte ich ausdrücklich bestätigen und aus meiner Sicht folgendermaßen ergänzen: Im Gegensatz zu Großbritannien und einigen skandinavischen Ländern galt Experimentelle Archäologie in Deutschland lange Zeit als unwissenschaftlich und war, besonders bei älteren Fachkollegen (Professoren und Lehrstuhlinhabern) verpönt. Dies lag u.a. daran, dass während des Naziregimes im „Dritten Reich“ pseudowissenschaftliche archäologische Rekonstruktionsversuche für Propagandazwecke instrumentalisiert wurden. Ein weiterer, wesentlicher Grund für die Ablehnung bestand in der Ignoranz und Angst dieser Schreibtischtäter, dass ihre Lehrmeinungen durch experimentelle Forschungen widerlegt werden könnten. Der „Neustart“ Experimenteller Archäologie in Deutschland in den 1980er/1990er Jahre gestaltete sich deshalb äußerst schwierig. Bahnbrechend war sicherlich das Ausstellungsprojekt „Experimentelle Archäologie in Deutschland“, das u.a. von Prof. Dr. Mamoun Fansa (damals Landesmuseum Oldenburg) initiiert wurde und erfolgreich in vielen deutschen und europäischen Museen als Wanderausstellung präsentiert wurde. Im Rahmen und in Folge dieses Projektes wurde das wissenschaftliche und öffentliche Interesse geweckt, auch die Forschung intensiviert. Zahlreiche Museumspädagogen beschäftigten sich mit entsprechenden Themen, übernahmen für ihre Arbeit Ergebnisse experimentalarchäologischer Untersuchungen oder führten selbst Experimente oder Versuche durch. Letztlich entwickelte sich so im Laufe der Zeit ein, zunächst begrüßenswerter Trend zugunsten der Experimentellen Archäologie. Leider ist dieser Trend mittlerweile bedenklich „inflationär“ geworden, auf dem Markt der Anbieter für archäologische Replikate/Rekonstruktionen sowie für Vorführungen prähistorischer Techniken tummeln sich unzählige, unseriöse Dilettanten, die diesen Fachbereich in Misskredit bringen und nachhaltig schädigen. Maßgeblich daran beteiligt sind Veranstalter, vor allem aus dem Museumsbereich, die, teils aus Kostengründen, teils aus Unwissenheit, aber auch Ignoranz, derartige Anbieter beauftragen oder für Veranstaltungen engagieren. Ich habe überhaupt nichts gegen das Engagement interessierter Laien oder Quereinsteiger, die sich ernsthaft mit Experimenteller Archäologie beschäftigen, es gibt hervorragende Beispiele hierfür! Unqualifizierte Beiträge und Machenschaften „gelangweilter Hausfrauen und pensionierter Oberlehrer“ lehne ich aber strikt ab und fordere die Verantwortlichen im Museumsbereich und Publikationswesen an dieser Stelle auf, zukünftig verantwortungsvoller mit dieser Problematik umzugehen. Ausdrücklich ausnehmen von meiner Kritik möchte ich seriöse „Mitstreiter“ wie Harm Paulsen, Wulf Hein und viele andere, die zwar keine akademische Ausbildung im Fach Archäologie oder Ur- und Frühgeschichte haben, aber als „Archäotechniker“ hervorragende Arbeit leisten.

Täuscht mein Eindruck, dass eine gewisse Scheue unter Experimentalarchäologen vorhanden ist, schlecht arbeitende Kollegen oder mangelhafte Museumsveranstaltungen öffentlich zu kritisieren?
Ihr Eindruck täuscht keinesfalls! Das Fach Archäologie ist ein „Haifischbecken“, wie in den meisten Berufen fürchtet jeder, aufgrund von Kritik seinen Job zu verlieren bzw. überhaupt eine Stelle oder einen Auftrag zu bekommen. Dies gilt vor allem für die vielen, freischaffenden Kollegen, die auf die Gunst von Auftraggebern aus dem zumeist musealen Bereich angewiesen sind. Wer gegen das Prinzip „eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“ verstößt, indem er schlecht arbeitende Kollegen oder mangelhafte (museale) Veranstaltungen öffentlich kritisiert, hat negative Konsequenzen zu befürchten, bis hin zur kompletten Zerstörung seiner beruflichen wissenschaftlichen Karriere. Gerade im Zeitalter von Internet/Facebook & Co ist es gefährlich geworden, solche Kritik zu äußern, obwohl sie berechtigt ist.

Freilichtmuseen verfügen häufig über wissenschaftliche Beiräte, auf die - wie ich selbst schon erleben durfte - im Falle von Kritik gerne hingewiesen wird; so als ob mit diesem Autoritätsargument jede inhaltliche Kritik entkräftet werden kann. Wie bewerten Sie im Angesicht fragwürdiger Veranstaltungen den tatsächlichen Einfluss von solchen Expertengremien auf die Qualität? 
Expertengremien wie wissenschaftliche Beiräte sind enorm wichtig, leider können sie manchmal ihre eigentliche Kontrollfunktion nicht ausüben, dienen lediglich als Alibi. Ich war viele Jahre Mitglied in zwei wissenschaftlichen Beiräten und habe dort die leidvolle Erfahrung gemacht, dass Kritik und Anregungen seitens der Öffentlichkeit/Besucher nicht an den Beirat weitergeleitet, sondern geblockt oder verschwiegen wurde. Somit wird ein Beirat häufig umgangen und kann seine Funktion nicht ordnungsgemäß ausüben. In anderen Fällen kann es aber auch sein, dass der Beirat versucht, öffentliche Kritik zu vertuschen oder mit fadenscheinigen Argumenten abzuwiegeln, um die Projektbetreiber, evtl. auch sich selbst zu schützen. Ich sage nur „Haifischbecken“! Meine Empfehlung: Kritik direkt an alle Mitglieder eines wissenschaftlichen Beirates kommunizieren, Kopie des Schreibens an vertrauenswürdige Medienvertreter und zuständige Politiker.

Ich begleite und kommentiere die baden-württembergische Mittelalterbaustelle Campus Galli seit mehreren Jahren aus verschiedenen Gründen kritisch. Was halten Sie von dem Projekt, in dessen Rahmen man angeblich an der Errichtung eines karolingischen Großklosters mit rund 50 Gebäuden arbeitet?
Zusammen mit einem Kollegen habe ich am 14.09.2018 das Projekt Campus Galli besucht. Zuvor hatten wir uns im Internet ausführlich informiert und sind mit relativ hohen Erwartungen nach Meßkirch gefahren. Trotz guter Voraussetzungen (gutes Wetter, guter Besucherandrang) waren wir letztlich doch sehr enttäuscht, unsere Erwartungen wurden keinesfalls erfüllt. Projekte wie Guedelon in Frankreich bieten wesentlich mehr, Campus Galli kann da trotz vollmundiger Ankündigungen keinesfalls mithalten. Während unseres Besuches gab es keinerlei Bauaktivitäten, die meisten „Stationen“ oder Bauplätze waren nicht besetzt, es gab kaum Möglichkeiten, Fragen zu stellen oder seriöse Informationen zu bekommen. Auf dem Gelände liefen zwar einige kostümierte Personen herum, die waren aber hauptsächlich mit sich selbst oder dem Verkauf von Speisen und Souvenirs beschäftigt. Vielleicht hätten wir uns ja vorher als „Fachbesucher“ bei der Geschäftsleitung anmelden sollen, hätten dann vermutlich ein anderes, allerdings verfälschtes Bild präsentiert bekommen. Aus fachlicher Sicht kann ich unter den von uns gewonnenen Eindrücken einen Besuch im Campus Galli nicht empfehlen, hoffe aber, dass sich dieses Projekt zukünftig doch noch positiv entwickelt, ansonsten wäre es sehr schade um die finanziellen Mittel, die bisher investiert wurden.

Sie haben erst kürzlich ein archäologisch-historisches Kochbuch veröffentlicht, in dem Sie gemeinsam mit Jens Dummer eine bunte Auswahl an Backrezepten präsentieren, die zeitlich von der Steinzeit bis ins Mittelalter reicht. Nun sind uns aus dem Mittelalter bereits Kochbücher überliefert, sodass es nicht allzu schwierig ist, an entsprechende Rezepte aus dieser Epoche zu gelangen. Hingegen bei der noch schriftlosen Steinzeit stelle ich mir das wesentlich komplizierter vor. Wie gehen Sie da bei der Rezepterstellung vor? Und wie authentisch können solche Rezepte schlussendlich sein?
Die Rezepte unserer Kochbücher sind als nachempfundene Rezeptvorschläge/-ideen gedacht. Zur Rezeptentwicklung für „schriftlose Zeiten“ orientieren wir uns an mehreren Quellen: archäologische Funde und Befunde; naturwissenschaftliche Untersuchungen ernährungsrelevanter Funde, z.B. Reste von Flora und Fauna; klimaarchäologische Forschungen u.ä.. Letztlich entsteht so eine Art „Puzzle“, aus dem wir Ernährungsgrundlagen einer Epoche erschließen können. Es ist dadurch also ersichtlich, welche Lebensmittel und Zubereitungsmethoden zur Verfügung standen, mit etwas „Küchen-Know-How“ und (kontrollierter) Fantasie entwickele ich dann für die Leser möglichst einfach nachvollziehbare Rezeptideen. Hierbei ist es für uns wichtig, dass die Zutaten relativ einfach zu beschaffen sind, im Zweifelsfall weisen wir auf geeignete Alternativen hin. Bei der Rezeptentwicklung vermeiden wir prinzipiell die Verwendung von Zutaten, die unter Arten- oder Naturschutz stehen. Wir erheben keinen Anspruch auf Authentizität, zeigen aber auf, welche Gerichte zu der jeweiligen Zeit realisierbar waren und heute mit modernen Küchengeräten umsetzbar sind.

Sie arbeiten bereits an einem neuen Buch. Können Sie uns schon etwas darüber verraten?
Seit einiger Zeit arbeiten wir an einem neuen Projekt mit dem Titel „Das Eiszeitjäger-Kochbuch“. Wir folgen damit dem Wunsch vieler Leser und Kollegen, auch unserem eigenen Interesse, die kulinarische Vergangenheit des frühen Homo sapiens in der Zeit von ca. 42000 bis 12000 Jahren vor heute darzustellen. Aufgrund der spärlichen Quellenlage gestaltet sich dieses Vorhaben sehr zeitaufwendig, wird sicherlich auch nur eine geringe Leserschaft interessieren, stellt für uns allerdings eine konsequente Fortsetzung unserer bisher erschienen archäologisch-historisch orientierter Kochbücher dar. 

Auf dieses Buch bin ich schon gespannt, denn es sind ja gerade Nischen, die noch Neues bieten. 
Und vielen Dank, Herr Werner, dass Sie sich für dieses Interview Zeit genommen haben.



Literatur / historisch-archäologische Kochbücher von Achim Werner:
  • Keltische Kochbarkeiten: Mit 60 Rezepten vom "Fünf-Steine-Koch" | Theiss Verlag | Stuttgart 2007 | Infos bei Amazon
  • Kochen durch die Epochen: Von der Steinzeit bis ins Mittelalter | Theiss Verlag | Stuttgart 2010 | Infos bei Amazon
  • Steinzeit-Mahlzeit: Von den ersten Bauern bis Ötzi. Mit 55 neuen Rezepten vom 5-Steine-Koch | Theiss Verlag|  Stuttgart 2013 | Infos bei Amazon
  • Kochschätze aus dem Kessel: Speisen mit Wikingern, Franken und Slawen. Mit 56 neuen Rezepten vom 5-Steine-Koch | Theiss Verlag/WBG | Darmstadt 2015 | Infos bei Amazon
  • Ahhh…Giersch! | Karfunkel Verlag | Wald-Michelbach 2016 | Infos bei Amazon
  • Kochen und Backen mit Ötzi: 35 leckere Rezepte vom 5-Steine-Koch | Regionalia Verlag |  Rheinbach 2016 | Infos bei Amazon
  • Backen von der Steinzeit bis ins Mittelalter: Brot, Gebäck und Kuchen aus 8000 Jahren | Ulmer Verlag | Stuttgart 2018 | Infos bei Amazon

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22 Kommentare:

  1. Den Ausführungen von Herrn Werner stimme ich zu, denn das deckt sich auch mit meiner Erfahrung als ehemalige Archäologin. Was sich schon seit Jahren auf Museumsveranstaltungen an experimentalarchäologischen Pfuschern tummelt, kann man nur als gruselig bezeichnen. Viele dieser Leute würden wesentlich besser zu Mittelaltermärkten passen.
    Ich meide deshalb die entsprechenden Veranstaltungen konsequent. Leider werden es aber immer mehr, die man eigentlich nicht besuchen kann.

    Schweigen aus Angst um die Karriere betrifft in der Archäologie nicht nur Qualitätskritik, sondern eine Vielzahl an Themen. Wehe, man kritisiert z.B. die ungebremste Ausbreitung von Windenergieparks, die bedeutende archäologische Räume längst in unterschiedlicher Weise negativ beeinträchtigen: Vor allem optisch, aber auch direkt aufgrund von Baumaßnahmen bzw. Eingriffen in den Boden. Was hier an Schaden für die Archäologie und den Lebensraum von Mensch und Tier angerichtet wird, übertrifft langfristig den zurecht gescholtenen Kohletagbau bei weitem!

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    1. Der Umstand, dass ausgerechnet eine Partei, die sich selbst das Attribut "grün" gegeben hat, solche enormen Zerstörungen nicht nur zulässt, sondern sie sogar mit religiösem Eifer vorantreibt, wird wahrscheinlich als Treppenwitz in die Geschichte eingehen.

      Gero

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    2. Ihre kritik ist verständlich. Jedoch führt auf Lange sicht kein Weg daran vorbei. Kohle wie Uran verursachen ebenso gewaltige Landschaftsschäden und sind darüber hinaus endlich. Bzw hinterlassen unmöglich zu handhabendes restmaterial.

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    3. Gerade "langfristig" gäbe es völlig andere Möglichkeiten als vergleichsweise primitive Windkraftgeneratoren, die aufgrund fehlender Stromspeichermöglichkeiten keine sichere Energieversorgung garantieren können. Ohne den Atomstrom aus Frankreich und den Pumpspeicherkraftwersstrom aus den österreichischen Alpen würde unser deutsches Stromnetz mehrmals im Jahr zusammenbrechen. Grund dafür ist der übereilte Ausstieg aus Kernkraft und Kohle.

      Außerdem weise ich darauf hin, dass auch bei der Herstellung der Windgeneratoren große Mengen an toxischem Abfall entstehen, darunter radioaktiver, der ganze Landstriche verseucht. Konkret tritt das Problem vor allem beim Abbau seltener Erden auf, ohne die technisch gar nichts geht. Das bedeutet, wir vergiften zwar nicht unsere Umwelt, aber stattdessen die in Asien, Afika und Südamerika. Alles im Namen unseres "grünen" Gewissen und nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn!

      Gero

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    4. Franz Hofstättler15. Dezember 2018 um 02:17

      Selbst wenn es so sein sollte, dass man aus energiepolitischer Sicht an der Windenergie nicht vorbeikommt - was ich stark bezweifle - dann bleibt es trotzdem ein absolutes Unding, wenn man aus archäologisch-fachlicher Sicht nicht einmal Kritik daran üben kann, ohne berufliche Konsequenzen befürchten zu müssen.

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  2. Dieses Interview sollte man an alle Meßkircher Gemeinderäte schicken!

    Grüßle,
    Maria

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    1. Warum sollte - einfach die Gemeinderäte auf den Link aufmerksam machen!

      Insider

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    2. Da wünsche ich viel Glück, denn unsere Gemeinderäte geben auf der Internetseite der Stadt weder E-Mail-Adresse noch Telefonnummer an. Wahrscheinlich ist sogar Emmanuel Macron bürgernäher.
      QX

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  3. Selbst bei der Exarc wird mittlerweile auch allerhand Fragwürdiges als Wissenschaft verkauft. Die sind in Teilbereichen längst zu einem verlängerten Arm der Touristiker herabgesunken.

    Gero

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  4. In der Schule unserer Tochter war im Vorjahr eine Archäologin zu Besuch. Die Frau hat angeblich auch "Experimentalarchäologie" gemacht, und zwar indem sie zusammen mit den Kindern Brot nach einem mittelalterlichen Rezept gebacken hat. Nicht falsch verstehen, die Idee finde ich wirklich klasse, doch wie schon oben richtig kritisiert worden ist: Das ist Pädagogik, aber keine Wissenschaft im Sinne von Experimenteller Archäologie. Gerade als Archäologin sollte man das doch wissen!

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    1. Bestimmt weiß sie es, denn das lernt man im Studium. Umso schlimmer, dass sie trotzdem keine sprachliche Trennung zwischen Pädagogik und einer wissenschaftlichen Methode wie der Experimentellen Archäologie vornimmt.

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  5. >>Wer gegen das Prinzip „eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“ verstößt, indem er schlecht arbeitende Kollegen oder mangelhafte (museale) Veranstaltungen öffentlich kritisiert, hat negative Konsequenzen zu befürchten, bis hin zur kompletten Zerstörung seiner beruflichen wissenschaftlichen Karriere. <<

    Es ist schon sehr traurig, opportunistische Egozentriker, wohin das Auge auch blickt. Ich bin nur froh, dass es wenigstens noch vereinzelt Menschen gibt, die nicht alles ihrer Karriere und ihrem Standing innerhalb einer bestimmten sozialen Gruppe unterordnen.

    >>Meine Empfehlung: Kritik direkt an alle Mitglieder eines wissenschaftlichen Beirates kommunizieren, Kopie des Schreibens an vertrauenswürdige Medienvertreter und zuständige Politiker.<<

    Ich bin geneigt, die Formulierung "vertrauenswürdige Medienvertreter" als Oxymoron zu betrachten. Ein Ex-Journalist hat mir mal gesagt: "Du kannst deutschen Journalisten immer vertrauen, ... bis es zu spät ist."
    Gerade die lokalen Medien, die noch am ehesten Interesse für die Mängel eines Freilichtmuseums in ihrem journalistischen Zuständigkeitsbereich haben müssten, sind oft genug mit den politischen Finanziers der Museen verfilzt. Qualitätskritik, auch wenn sie noch so gut begründet und nachvollziehbar ist, hat da meistens keinen Platz.Oder man dreht es so, dass der Kritiker als Pedant oder bloßer Nörgler dasteht. Ich weiß aus persönlicher Erfahrung genau, wovon ich hier spreche. Und der Blogbetreiber ja auch.

    LG

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  6. Spätestens jetzt können die Herren und Damen des Campus Galli nicht mehr behaupten, dass ihre schlecht durchdachtes Projekt in der Fachwelt alle ganz toll finden und der Beirat ein unbestreitbarer Qualitätsgarant ist ;-)
    Hagen

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  7. Danke für Ihre offenen Worte, Herr Werner!

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  8. Franz Hofstättler15. Dezember 2018 um 02:24

    Ja, da gibt es Entwicklungen im Reenactment und der Experimentellen Archäologie, die auch mir weniger gut gefallen.

    Die Museen schieben als Rechtfertigung oft Pragmatismus vor und behaupten, wenn es zu seriös zuginge, dann würden weniger Besucher kommen.

    So eine Sichtweise deutet stark darauf hin, dass der durchschnittliche Museumsbesucher intellektuell nicht für voll genommen wird.

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  9. Danke für dieses Interview. Es ist immer wieder und wieder nötig, dass diese Diskussion geführt wird! Die experimentelle Archäologie hat durch grossartige Forscherinnen in den letzten Jahrzehnten ihren festen Platz in der Archäologie erobert - aber nur, wenn wir sauber arbeiten, werden wir ernst genommen.
    Ein grosses Vorbild schrieb bereits vor 24 Jahren: http://www.eas-aes.ch/fileadmin/editors/pdf/Verein/Kelterborn_1994_Was-ist-ein-wiss-Experiment.pdf
    Mela

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  10. Schön, dass zu diesem Thema mal jemand vom Fach öffentlich Tacheles redet. Und wo finde ich das? Natürlich bei Hiltibold, wo sonst?!!
    Wünsche frohe Weihhnachten und einen guten Rutsch!
    Liebe Grüße
    Lukas Baumann!

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  11. Vielleicht sollte man einmal verschiedene Zwecke unterscheiden:

    1. Wissenschaft: herausfinden, wie die Realität im Mittelalter war --> wird fast nur von Profis an den Unis gemacht + ein paar sehr engagierte Laien
    2. Wissensvermittelung an die Allgemeinheit: die Ergebnisse aus der Wissenschaft so darstellen, dass die Darstellung für interessierte Laien (nachvollziehbar und) attraktiv ist --> Museen
    3. Interesse am Wissen über das Mittelalter wecken, auch wenn die Darstellung nicht (ganz) authentisch ist --> z.B. TerraX
    4. Freizeitgestaltung mit mittelalterartigem Hintergrund --> Mittelaltermärkte, LARP

    Und alle diese 4 Zwecke sind völlig okay. Sogar Nummer 4 ist okay, denn die Alternative wäre, dass die Leute sich gar nicht für das Thema Mittelalter interessieren und stattdessen mit dem neuesten Blockbuster vor der Glotze hängen.

    Und 3 ist sowieso eine gute Sache, weil es ein Einstieg zu 2 und (ggf. für Kinder) sogar zu 1 ist. Oder wie seid Ihr LH’ler und Wissenschaftler zu 1 und 2 gekommen?

    Wichtig ist nur, dass den Leuten klar ist dass 3 nur begrenzt was mit der mittelalterlichen Realität zu tun hat und 4 ziemlich wenig.

    Und Campus Galli liegt irgendwo bei 2-3. Was bitteschön ist daran schlecht? Wollt Ihr das Steuergeld statt für den Campus lieber als Subvention für ein Fußballstadion ausgeben?

    Ich habe oft den Eindruck, dass in der Geschichtsszene ein ganz schöner Standesdünkel herrscht. "Wir sind aus der Wissenschaft, deshalb mögen wir viele LH'ler nicht; die sind zu unwissenschaftlich und unter unserem Niveau." Und der LH'ler: "Wir nehmen das Thema Mittelalter ernst, und deshalb mögen wir die Mittelaltermarktgänger und LARPer nicht. Wir finden die total lächerlich."

    Ich bin selbst Ingenieurwissenschaftler und in der Forschung tätig. Ich sehe in diversen Elektronikforen, dass da viele Laien unwissenschaftliche Dinge tun (basteln, statt die vorliegenden Probleme systematisch zu lösen). Aber ich kann nicht erwarten, dass Laien in ihrer Freizeit die Inhalte eines 5-jährigen Studiums erlernen, und ich freue mich, dass die sich überhaupt damit beschäftigen. Und vielleicht interessiert sich das Kind eines solchen Bastlers auch dafür und wird später Elektroingenieur(-in). Fände ich super!

    Also bitte weniger Schaum vor dem Mund und mehr Freude darüber, dass sich Menschen für das Thema Mittelalter interessieren.

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    1. Das Problem ist nicht, dass es unterschiedlich ambitionierte Herangehensweisen gibt. Jeder soll seine Hobbies so gestalten wie er möchte. Ich kritisiere daher z.B. keine Mittelaltermarktbesucher. Die sollen ihren Spaß haben, auch wenn das nichts für mich ist.

      Problematisch ist es allerdings, dass es z.B. Museen/Freilichtmuseen und Dokumacher bei sogenannten Qualitätsmedien gibt, die nicht sauber trennen und alles fröhlich vermanschen. Das sorgt beim unbedarften Beobachter für Verwirrung und Missverständnisse. Die Details einer Darstellung sind nämlich nicht völlig egal. Frisur, Kleidung, Waffen usw. sind essentielle Bedeutungsträger, die charakteristisch für eine ganz bestimmte Epoche sind. Da pfuscht man - wenn man Qualität für sich in Anspruch nehmen möchte - nicht wild dran herum.

      Und empirische wissenschaftliche Methoden, die dem Generieren von neuen Erkenntnissen dienen, siehe die Experimentelle Archäologie, mit Geschichtsdidaktik, wie etwa Museumspädagogik, gleichzusetzen, geht auch nicht. Ein Prof betreibt ja auch keine Wissenschaft (Forschung), wenn er eine Vorlesung über z.B. die Kirchhoffschen Regeln oder über Hochfrequenztechnik hält (ich komme ursprünglich auch aus der Elektronik).

      Ja, es gibt mitunter einen gewissen Dünkel in LH-Kreisen. Aber die hier vorgebrachte Kritik dreht sich primär um das saubere Trennen von Begriffen und Methoden. Niemand soll sich mit Federn schmücken, die ihm nicht zustehen.

      Und was man mit den Abermillionen, die in den Campus Galli fließen, stattdessen machen könnte? Nun ja, z.B. damit den katastrophal unterfinanzierten Denkmalschutz in Baden-Württemberg unterstützen. Denn während man in Meßkirch an einem pseudohistorischen Kloster baut, verfällt massenhaft echte historische Bausubstanz, weil für deren Erhaltung nicht ausreichend Geld zur Verfügung steht. Eine Frage der Prioritätensetzung, sozusagen.

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    2. Ja, ich stimme Dir in vielen Punkten zu - wahrscheinlich sind wir nicht so weit auseinander. Allerdings sollten zumindest meine ersten 3 o.a. Punkte gefördert werden, denn sie bringen unsere Mitbürger, die sich i.d.R. wenig mit Geschichte auskennen und sich oft nicht unbedingt sonderlich dafür interessieren, hin zu diesem interessanten Thema*. Und jetzt kommen die praktischen Aspekte, z.B. um wieviel teurer wird eine TerraX-Sendung, wenn man sie komplett authentisch ausstattet? Und um wieviel mehr Zuschauer interessieren sich hinterher für dieses Thema, so dass sie sich intensiver damit beschäftigen? Ich wage zu behaupten, dass das aktuelle Nutzen-Kosten-Verhältnis bei TerraX ganz gut ist, auch wenn ich mir selbst natürlich mehr Authentizität wünsche. Und werden die Leute wirklich davon verwirrt, dass die Darstellung nicht so authentisch ist? Ich behaupte Nein, weil sie sich (noch) zu wenig mit dem Thema auskennen. Und für uns "Wissende" gibt es ja auch viel tiefergehende Informationen aus Büchern, Museen oder ggf. wissenschaftlichen Artikeln. TerraX ist da nur ein netter Zeitvertreib für uns, und da sollten wir die Maßstäbe nicht so hoch ansetzen.

      Wie ist es jetzt mit dem Campus Galli: stellen wir uns vor, sie würden nicht mehr behaupten, "Forschung" zu betreiben. Dann bist Du etwas zufriedener, aber würde sich außer dieser Formalität noch etwas ändern? Hat das ganze Projekt ohne das Ziel "Forschung" seinen kompletten Sinn verloren? Ich finde nein, weil es immer noch zwischen meinen o.a. Punkten 2 und 3 liegt. Und es ist vermutlich für Laien attraktiver als normale Museen - da muss man einfach mal die Besucherzahlen vergleichen, z.B. 2019 auf Campus Galli 92.000 und im Alamannenmuseum Ellwangen 5200 Besucher (obwohl sie auch ein attraktives Programm mit Sonderausstellungen und Aktionstagen auf die Beine stellen).

      Natürlich ist das Konzept nicht perfekt und konstruktive Kritik ist sinnvoll, um den Campus in die richtige Richtung zu lenken. Ein besseres Management, mehr Authentizität und ggf. mehr Beiträge zu Forschungsfragen schaden nicht, wenn sie mit keinen oder wenig Extrakosten möglich sind. Aber ich habe hier eher den Eindruck, Ihr habt inzwischen eine völlige innere Abneigung gegen das Projekt entwickelt und wollt es komplett stoppen. Und das finde ich nicht gerechtfertigt.

      Fazit: ja, ich stimme Dir zu, dass jeder Akteur in dem Themengebiet sauber transparent machen sollte, wie nahe er an Wissenschaft und Forschung dran ist. Aber nein, ich finde die Kritik am Campus Galli auf dieser Webseite leider schon fast ideologisch fixiert (ansonsten finde ich die Webseite wirklich super).

      Ich bin übrigens kein Lobbyist vom Campus, ich bin nur (seit 2022) Mitglied im Förderverein. Das ist also meine ehrliche Meinung und kein Versuch der subversiven Beeinflussung von Kritikern.

      Nachtrag zur o.a. Fußnote:
      * "interessantes Thema" vs. "relevantes Thema": ich selbst interessiere mich sehr stark für die Karolingerzeit, aber ich denke trotzdem, dass die Relevanz für die heutige Zeit sehr begrenzt ist. Relevanz bedeutet, welchen Einfluss Wissen über die damalige Zeit auf heutige Entscheidungen hat oder haben sollte. Das ist für neuere Geschichte anders, wo man sehr viel für heute aus der Geschichte lernen kann, z.B. wie totalitäre Regime entstehen und funktionieren. Aber wenn man ehrlich ist, dann ist das meiste Wissen von früher lediglich interessant und hat keinerlei Auswirkungen auf heutige Entscheidungsfindungsprozesse. Dazu gehören leider auch die von Dir genannten Denkmäler. Ich sage damit nicht, dass ihre Erhaltung sinnlos ist, weil sie uns ja ein Bild unserer Vergangenheit vermitteln und somit die Materie für unsere eigene Identität sind. Aber das ist hauptsächlich eine Art Liebhaberei, denn auch in den leider zerbombten Städten (z.B. Pforzheim) läuft heute das Leben ohne Denkmäler völlig normal ab und die Leute sind nicht völlig identitätslos.

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    3. Gerade der ÖRR sollte als Gegengewicht und Korrektiv zu Hollywood fungieren. Tut er aber zu oft nicht. Im Gegenteil, er immitiert Hollywood mit seinen Spieldokus. Genau diese lausig ausgestatteten Dokus sind somit Teil einer medialen Maschinerie, die historische Faktoide im kollektiven Gedächtnis einzemmentiert. Beispielsweise den ledernen Brustpanzer der Römer. Und bekanntlich macht auch Kleinvieh im Laufe der Zeit viel Mist.
      Dass hingegen eine ziemlich authentische Ausstattung problemlos zu realisieren ist, ohne dass deshalb die Kosten durch die Decke schießen müssen, zeigen einzelne Positivbeispiele sehr gut. Ich war selbst bei solchen Dokus in beratender Funktion involviert. Es ist also schlussendlich weniger eine Frage des Geldes, sondern eine des Ehrgeizes. Etwas, das ich auch beim Campus Galli an vielen Ecken und Enden vermisse. So war der langjährige Haushistoriker, der zuvor noch nie als Historiker gearbeitet haben soll, nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte. Weder in fachlicher noch in sprachlicher Hinsicht. Das Ergebnis daraus ist u.a. eine Publikation, die von einem Zwölfjährigen stammen könnte; schlimmer noch ist aber das auf schlechter Recherche beruhende zu steile Dach der Holzkirche, welches dem gotischen Dach der Lorscher Torhalle ähnelt; diesen groben Fehler hat Napierala selbst nachträglich gegenüber einem Besucher eingeräumt. Ich habs den Damen und Herren des Campus Galli freilich schon mindestens ein Jahr zuvor in meiner unnachamlich liebenswürdigen Weise anhand der veröffentlichten Pläne ausgerichtet. Da war das Dach noch nicht errichtet, aber man hat die Kritik wie üblich ignoriert.

      Würden sie beim Campus Galli das unehrliche, der Selbstbeweihräucherung dienende Theater mit der "Forschung" nicht mehr spielen, dann würde ich in dieser Hinsicht selbstverständlich zufrieden sein. Ich kritisiere die doch nicht aus einem reinen Selbstzweck heraus - auch wenn ich ehrlicherweise einräumen möchte, dass es für mich mitunter schon auch einen gewissen Unterhaltungswert haben kann, das Projekt aufs Korn zu nehmen. Die Verantwortlichen machen es einem aber auch ziemlich leicht, mit ihrer Großsprecherei. Die wissen doch längst alle ganz genau, dass dort im Wald nie eine "Klosterstadt" entstehen wird, höchstens ein 'Klosterkaff'.

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    4. Ja, der Campus Galli ist attraktiver als manch 08/15-Museum. Da bin ich ganz deiner Meinung. Ist das Projekt aber auch das Geld wert, das der Staat hineinbuttern muss, damit nicht die Pleite eintritt? Ich sage: Nein. Zu kritisieren sind hier vor allem die Politiker, die den realitätsfernen Geschäftsplänen nahezu blind vertraut haben. Entweder hätte man von Anfang an richtig viel Geld in die Hand nehmen müssen, um ein für die Massen attraktives Angebot aus dem Boden zu stampfen - ähnlich wie im Fall der Römerstadt Carnuntum in Niederösterreich (hat deutlich über 20 Millionen gekostet, aber ich bin mir nicht sicher, ob selbst dieses Freilichtmuseum ohne Zuschüsse auskommt).
      Halbe Sachen funktionieren jedenfalls selten gut. Ich bin trotzdem gespannt, wohin die Reise des Campus Galli gehen wird. Gewiss ist nur: Nicht hin zu den Schwarzen Zahlen. Wie lange die Politik das dem Steuerzahler noch schmackhaft machen kann, bleibt abzuwarten. Von mir aus darf das Drama aber noch lange so weitergehen, habe ich dadurch doch Stoff fürs Blog.

      Natürlich besitzt neuere Geschichte mehr Relevanz, da der Bezug zur Gegenwart alleine aufgrund der zeitlichen Nähe viel stärker ist. Aber auch die weiter zurückliegende Vergangenheit bietet viel nützliches Anschauungsmaterial. Schau dir z.B. die antiken Römer an. Zur Zeit der Republik ließ man jedes Jahr die höchsten Beamten neu wählen. Durch die drastische Beschränkung der Amtszeit wollte man es erschweren, dass sich Machtnetzwerke in der Politik einzemmentieren, welche die republikanische Grundordnung hinten herum aushebeln. Wir haben solche u.a auf Bereicherung ausgelegten Netzerke hingegen z.T. institutionalisiert und nennen sie "politische Parteien". Oder ein anderes Beispiel aus der Römerzeit: Wer die Sekundärliteratur umgeht und direkt in die Originalquellen blickt (Tacitus, Josephus usw.), wird beispielsweise feststellen, dass es gerade in den Städten des Reichs vielerorts Mord und Totschlag in z.T. gewaltigem Ausmaß gab, weil sich die dort Tür an Tür lebenden Angehörigen unterschiedlicher Ethnien und Reliogionen nicht grün gewesen sind.
      Ich denke, aus all dem können gerade moderne Gesellschaften sehr viel lernen. Die Frage ist freilich, ob man heute daraus lernen möchte.

      Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.

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