Sonntag, 6. September 2020

📖 Buch: Die Magier der Götter - Die vergessene Weisheit einer verschollenen Erdzivilisation

Auf den britischen Journalisten und Bestseller-Autor Graham Hancock bin ich zum ersten Mal aufmerksam geworden, als er vor rund einem Jahr Gast in Joe Rogans Podcast gewesen ist (ich habe darüber berichtet). Dort sprach er u.a. über sein Buch Die Magier der Götter, um das es auch in dieser Rezension gehen soll.

Die von Hancock vertretene These ist in ihrer Grundstruktur nicht ganz neu: Eine "Hochkultur" - unter der man sich nicht zwingend etwas allzu Großartiges vorstellen muss, die aber den ältesten bisher bekannten Hochkulturen in Ägypten und Mesopotamien weit vordatiert - wäre demnach durch eine gewaltige Naturkatastrophe untergegangen (der Atlantis-Mythos lässt grüßen).
Der Autor macht dafür kilometergroße Kometen- oder Meteoritenbruchstücke verantwortlich, die hauptsächlich in den einst weit ausgedehnten nördlichen Eisschild der Erde einschlugen - wobei alleine der größte Brocken eine äquivalente Sprengkraft zu zehn Millionen Megatonnen TNT entfaltet haben könnte. Laut jüngeren geologischen Forschungsergebnisse (siehe hier und hier) datiert dieses wohl tatsächlich stattgefundene Ereignis auf ca 12800 Jahre vor heute (wobei der tödliche Kometenregen Jahrhunderte lang angehalten haben könnte). Dieser Kataklysmus ging mit einem globalen Massensterben einher; alleine 35 Säugetiergattungen (nicht nur Arten) verschwanden in Nordamerika innerhalb weniger Jahrhunderte (Stichwort 'Aussterben der Megafauna').
Die überlebenden Menschen der von Hancock angenommenen Hochkultur sollen sich zerstreut und Teile ihres Wissens - besonders über Ackerbau und Viehzucht - an andere Völker weitergegeben haben; so etwa an die Erbauer der steinzeitlichen Kultanlage von Göbekli Tepe in der heutigen Türkei. Diese fremden Wissensbringer - die sozusagen für die Neolithische Revolution im fruchtbaren Halbmond mitverantwortlich gemacht werden -  sollen in weiterer Folge als "Weise" bzw. gottähnliche  "Magier" in die Mythen verschiedener Völker eingegangen sein. Selbiges würde auch für den erwähnten Kometeneinschlag und eine damit einhergehende globale Überflutungskatastrophe im sogenannten Jüngeren Dryas gelten. Hierbei zeigt Hancock tatsächlich eine Vielzahl interessanter Parallelen auf; so gleicht etwa eine alte indianische Sage auffällig der jüdisch-christlichen Arche-Noah-Erzählung; besagte Indiandersage deckt sich überdies mit modernen geologischen Untersuchungen. Durchaus bemerkenswert sind auch ikonographische Gemeinsamkeiten zwischen Reliefs im bereits erwähnten Göbekli Tepe und den erst viele Jahrtausende später aufkommenden Kulturen in Mesopotamien und Mexiko.
Auch wenn man mit einer gehörigen Portion Vorsicht an dieses Buch herangeht, so fällt es doch schwer, die vom Autor ausführlich dargelegten Indizien immer als bloße Zufälle abzutun.

Gelegentlich gehen mir Hancocks Mutmaßungen und Interpretationen archäologischer, geologischer und sonstiger Befunde zu weit (an zwei, drei Stellen habe ich regelrecht die Augen verdreht). Insgesamt muss man ihm allerdings attestieren, dass er außerordentlich fleißig recherchiert und auf ausgedehnten Reisen Unmengen an Informationen - darunter sehr viele naturwissenschaftliche Forschungsergebnisse sowie hochinteressante Primärquellen - zusammengetragen hat. Sogar Gespräche und die schriftliche Korrespondenz mit mehreren namhaften Archäologen wurden von ihm auszugsweise veröffentlicht.
Diese Akribie ist sowohl Stärke wie auch Schwäche des dicken Buchs: Einerseits lassen sich die Gedankengänge des Autors dadurch sehr gut nachvollziehen. Anderseits wiederholt sich inhaltlich doch einiges mehrfach. Das wirkte auf mich stellenweise etwas ermüdend, obschon der Text insgesamt locker geschrieben und recht gut strukturiert ist.
Dass Hancock bemüht ist, seine These möglichst detailliert zu belegen, hat gewiss auch den Zweck, sich gegen Kritik aus der arrivierten Wissenschaft zu wappnen. Er spart in diese Richtung nicht mit harscher Kritik und verweist glaubwürdig auf gravierende Schlampereien und Behumpsereien von Forschern aus unterschiedlichen Fächern. Die Botschaft an den Leser lautet hier: Lass dich bloß nicht mit dem Logischen Fehlschluss des Autoritätsarguments abspeisen.

Kritisieren muss ich speziell an der vorliegenden deutschen Ausgabe von "Die Magier der Götter" ein wenig, dass man die im Text vorkommenden imperialen Maßeinheiten nicht konsequent ins metrische System umgerechnet hat. So ist von "Quadratmeilen "und "Fuß" die Rede, an anderer Stelle hingegen plötzlich von "Kubikmeter". Wenn schon der Autor nicht konsequent war, dann hätte es zumindest die Übersetzerin sein können.

Hat es Graham Hancock nun aber geschafft, mich von seiner These einer rund 12000 Jahre alten Hochkultur restlos zu überzeugen? Nein, weil Indizien - auch wenn sie fallweise noch so verblüffen - keine harten Beweise sind.
Doch meiner Ansicht nach ist das ohnehin nebensächlich, denn in "Die Magier der Götter" werden dem Leser viele spannende Forschungsergebnisse aus der Archäologie und verschiedenen Naturwissenschaften in allgemein verständlicher Weise näher gebracht. Einiges davon dürfte der breiten Öffentlichkeit bisher weitestgehend unbekannt sein. Wer hat denn z.B. je von Karahan Tepe - einer hochinteressanten steinzeitlichen Anlage, die wie Göbekli Tepe errichtet wurde - gehört? Und wer weiß schon, was der international anerkannte Archäometrie-Fachmann Professor Ioannis Liritzis von der Universität der Ägäis zu den drei großen Pyramiden von Gizeh - bei denen es sich laut offizieller Lehrmeinung einfach um einstige Grabmäler handeln soll - zu sagen hat?

"Der Mangel an zeitgenössischen Überresten von Menschen-begräbnissen in jeder ägyptischen Pyramide sowie die offensichtliche astronomische und geometrische Beschaffenheit der Stätte, die beweist, dass die Ausrichtung nicht zufällig war, sondern auf tiefem Wissen und Sternenkonfigurationsmustern zur Zeit der Errichtung beruht, lassen darauf schließen, dass die Theorie der 'Pyramiden als Gräber' nicht mehr ausreicht, sondern eine umfassendere Bestimmung von Alter, Funktion und Wiederverwendung sowohl der Pyramiden als auch von Gizeh erforderlich ist ..."

Ich war lange der Meinung, solche Gedanken hätten nur Personen, die außerhalb der wissenschaftlichen Community zu verorten sind. Andererseits lese ich ja auch selten Bücher wie jenes von Hancock.
Die Tendenz der Wissenschaftsjournaille (bzw. der Journaille insgesamt), vom 'Konsens' abweichende Meinungen auszufiltern ('Konsens' ist ein politischer, kein wissenschaftlicher Begriff) kann nur als sehr problematisch bezeichnet werden. Man muss es Hancock deshalb hoch anrechnen, dass er in seinem Buch der arrivierten Geschichtsforschung und ihren medialen Wurmfortsätzen auf die Zehen tritt, indem er ihnen anhand verschiedener gut dokumentierter Beispiele nachweist, dass auch sie sich allzu gerne bloßer Kaffeesatzleserei bedienen und unbelegte Ansichten so lange wiederkäuen, bis diese den Charakter einer scheinbar unumstößlicher Tatsachen annehmen. Fachliche Gegenmeinungen wie die oben zitierte schweigt man gerne tot; vor allem wenn der Urheber, wie im Fall des Ioannis Liritzis, eine zu große Reputation besitzt, um ihn öffentlich lächerlich und somit unglaubwürdig machen zu können.
'Pressure Groups' wie die sogenannten "Skeptiker", die Journalisten kontaktieren, um deren Berichterstattung zu beeinflussen, und die in der Wikipedia Artikel im Sinne ihres Weltbildes editieren, spielen als Verteidiger der wissenschaftlichen Orthodoxie eine wichtige Rolle. Diese "Skeptiker", die meiner Ansicht nach Feinde der Wissenschaftsfreiheit sind, haben es auch auf Graham Hancock abgesehen; in einem Rogan-Podcast aus dem Jahr 2017 diskutiert er z.T. hitzig mit einem Vertreter dieser Gruppierung - der dabei keine durchgehend gute Figur macht.   


PS: Falls mir nun wieder jemand eine E-Mail im Meckerton schreibt, weil ich ein Buch vom Kopp Verlag besprochen habe (ohne es zu verreißen), dann möchte ich gleich darauf hinweisen, dass ich so ein Troll-Schreiben unbeantwortet in die elektronische Rundablage verschiebe. Wer nicht ernsthaft und konkret zum Buchinhalt sprechen möchte, der kann sich also die Tipperei ruhig sparen.

Dass Bücher wie das vorliegende - welches übrigens keinesfalls in die fragwürdige Prä-Astronautik-Ecke gehört - im deutschen Sprachraum hauptsächlich bei einem einzigen Verlag herausgebracht werden, liegt nicht zuletzt an den weiter oben bereits erwähnten Skeptikern sowie deren Gesinnungsfreunden unter den Literaten. Besonders in den vergangenen 20 Jahren haben sie mit einigem Erfolg Verlage unter Druck gesetzt, nonkonformen Inhalten "keine Bühne zu bieten". Das läuft dann beispielsweise in der Art ab, dass sich ein paar Autoren zusammentun und der Verlagsleitung in einem Brief erklären: Wenn ihr weiter Bücher vom Autor XY verlegt, dann arbeiten wir nicht mehr mit euch zusammen und versenden darüberhinaus eine entsprechende Pressemitteilung (in der man den Ruf des Verlags in den Schmutz zieht)
Solchen intoleranten Erpressern und autoritären Figuren ist egal, dass in der Wissenschaft verschiedene Meinungen gleichberechtigt nebeneinander stehen können; Meinungspluralismus ist ihnen ein Fremdwort. Nicht der Leser und der freie Markt darf mehr entscheiden, sondern eine zunehmend gleichgebürstete Verlagslandschaft soll als pädagogisierender Türsteher und Filter fungieren. 

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8 Kommentare:

  1. Ich halte es für eine sehr vernünftige Herangehensweise, den Wert, den eine These für einen persönlich hat, hauptsächlich am Informationsgehalt der Darlegung zu messen. Dann ist man auch nicht enttäuscht, wenn man sich dem Fazit des Autors nicht anschließen kann. G.Marcu


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  2. Hallo,

    in meinem Buchregal stehen mehrere Bücher von Graham Hancock. Die Denkanstöße, die er mit seinen Gegenthesen zur Mainstreamarchäologie gibt, sind schon interessant, aber ob er damit immer recht hat? Das weiß auch ich nicht :-)

    "America Before: The Key to Earth's Lost Civilization" ist eine Art Fortsetzung zu "Magicians of The Gods". Deutsche Ausgabe gibt es davon noch keine, aber das buch ist auf jeden Fall zu empfehlen. Darin geht es um krasse Wissenschaftsirrtümer speziell zur Geschichte Nordamerikas und den auf Dogmen beruhenden, inzwischen nachgewiesene Fehldatierungen der menschlichen Siedlungsgeschichte dort.

    Grüße,
    Marcus

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    1. Dazu kommt noch, dass er sich hauptsächlich auf Fachwissenschaftler stützt. Leute wie den zitierte Ioannis Liritzis. Es ist in der Wissenschaft ja bitte nicht so, dass die Mehrheit der Forscher über wahr oder nicht wahr entscheidet, sondern das bessere Argument. Was aber "besser" ist, ist außerhalb der Naturwissenschaften meistens sehr subjektiv, weil nicht messbar! Diese Skeptikerdeppen versuchen aber genau das Mehrheitsprinzip zur Richtschnur zu machen!

      Der Wanderschmied

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    2. "America Before" ... ein sehr gutes Buch, gerade weil die Fakten so unsagbar stark für Graham Hancock und die darin erwähnten wissenschaftlichen Außenseiter sprechen. Ein Buch, das eigentlich wie eine Atombombe auf die Mainstreamarchäologen und -anthropologen wirken sollte!

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  3. ist das Buch eher eine Fortsetzung oder eine aktualisierte Neufassung von G.H.s früheren Buch "Fingerprints of the Gods"?
    Mir gefallen die Interviews bei Joe Rogan mit dem Autor auch sehr gut, allerdings bleibt dann doch immer ein etwas sauerer Geschmack zurück, wenn die gesamte Zunft der Archäologen als grundsätzlich böswillig, machtbesessen und geschichtsverfälschend vor so einem großem Publikum dargestellt wird. Außerdem sind seine Thesen - obwohl sehr anregend und plausibel - wie du auch sagtest eben keine Beweise und ohne Unterwasserausgrabungen mehrere hundert Meter entfernt von den heutigen Küsten wird man nie brauchbare Beweise herausbekommen. Vor diesem Hintergrund empfinde ich es als etwas frech unbelegbare, aber zugleich auch unwiderlegbare Thesen in den Raum zu werfen und der Fachwelt Ignoranz und Dummheit vorzuwerfen.
    Was ich mich auch frage ist, warum seine Hochkulturen weltweit ausschließlich an der Küste siedelten, aber das Hinterland erwiesenermaßen - die heute noch nicht im Weltmeer untergegangenen Landmassen - nur steinzeitliche Jäger und Sammler existierten.
    Auch wenn das alles sehr negativ klang bin ich trotzdem großer Fan der Person G.H. und werde bei Gelegenheit auch zumindest einer seiner Bücher holen, aber vielleicht kannst ja du sogar was zu den angesprochenen Fragen sagen.
    Viele Grüße
    Dome

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    1. "Fingerprints of the Gods" kenne ich leider nicht, allerdings baut das vorliegende Buch z.T. darauf auf - das sagt Hancock selbst. Man muss es aber nicht gelesen haben, um "Magicians of the Gods" zu verstehen.

      Er argumentiert, seine Überlegungen - die ja nahezu durch die Bank auf den Ergebnissen ganz normaler Wissenschaftler beruhen - sind oft besser belegbar als die der "Mainstream-Archäologie". Und dann rollt er seine Argumente und die Gegenargumente aus, um den Leser entscheiden zu lassen. Er macht das nicht schlecht, z.B. wenn er seine Gespräche/Diskussionen mit dem deutschen Chefausgräber von Göbekli Tepe oder einem anderen deutschen Archäologen in Baalbek sehr ausführlich zitiert. Es ist nicht so, dass er versucht, diese Leute allesamt als Trottel hinzustellen. Im Gegenteil, er räumt immer wieder ein, dass auch sie mitunter gute Argumente vorbringen. Wenn er kritisiert, dann ist er schon spezifisch.

      Er dürfte aber im Laufe der Jahre aufgrund der Angriffe, denen er aus der Wissenschaft ausgesetzt war, schon auch ein bisschen verbittert sein - ist mein Eindruck. Gerade weil er in einigen wichtigen Punkten recht behalten hat, wie z.B. mit der globalen Katastrophe von Außen im Jüngeren Dryas.

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    2. Danke für deine Antwort, dann kommt das hier rezensierte Buch mal auf die Merkliste. Ja, die "Guten" Archis hebt er schon hervor, in den Interviews empfand ich seine Kritiken oft sehr verallgemeinernd auf einen gesamten Berufsstand.

      Dome

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  4. Und dann waren da noch Charles Hapgood, Piri Reis und die nur in dunkelster Vorzeit (ca. vor 8.000 -6.000 Jahren BP*) eisfreie, aber auf Reis' Karte wohl gut abgebildete Prinzessin-Martha-Küste - sowie Hapgoods nicht recht stimmige These zu plötzlich eingetretenen massiven Verschiebungen der Erdkruste, vor so ca. 11.600 Jahren...
    *) Entweder ich oder der englische Wikipedia-Autor haben die Quelle wohl nicht richtig gelesen:
    "The low resolution in the deglaciation chronologies
    from most of the shelf areas makes it impossible to
    recognize more than the general pattern, that the outer-and
    middle shelf areas deglaciated between 14-8 ka BP, while
    most inner shelf areas, fjords and bays were deglaciated
    before 8-6 ka BP. Improved chronologies for marine
    sediment cores, which are currently being developed
    (Domack et al., 2001a), are the key to better resolution in
    reconstructions of spatial and temporal patterns of the
    deglaciation of the Antarctic Peninsula shelf areas. Domack
    et al. (2001a) recognised a rapid deglacial episode in the
    Palmer Deep record, characterised by high primary
    production and iceberg rafting, between c. 11-10 ka BP." ["Quaternary glacial and climate history of Antarctica" Ólafur Ingólfsson, 2004]

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