Sonntag, 21. November 2021

🐷 Da gerät PETA in Schnappatmung: Kein Tierschutz in der antiken Kriegsführung! 🐮



Allgemein bekannt ist, dass Tiere in der Antike oft und zahlreich zur bloßen Unterhaltung der Massen hingemetzelt wurden. Besonders das Alte Rom mit seinen unzähligen venationes (Tierhatzen) ist dafür bis heute berüchtigt. 
Nicht vergessen sollte man aber, dass Tiere auch im Kriegseinsatz viel Leid erfahren haben. Beispielsweise war es für einen Fußsoldaten im Schlachtengetümmel wesentlich leichter, seinen Speer einem großen Pferd in den Körper zu rammen, als den deutlich kleineren, hoch oben im Sattel sitzenden Kavalleristen zu treffen. Entsprechend viele Reittiere starben auf dem Schlachtfeld. 
Doch in seinen tiefen Abgründen war der menschliche Geist zu noch wesentlich mehr Einfallsreichtum fähig, wenn es darum ging, Tieren Leid zuzufügen - sofern dies zweckmäßig erschien bzw. man sich daraus einen Vorteil gegenüber dem Feind erhoffen konnte. Die folgenden überlieferten Beispiele aus der Antike sollen Schlaglichter auf diese Kriegspraxis werfen. Nicht ganz zu Unrecht würden PETA, WWF, Martin Balluch und Co. - deren Aktivitäten und Ansichten ich zwiespältig betrachte - im Angesicht der beschriebenen Rohheiten kollektiv in Schnappatmung geraten. Manche der alten Überlieferungen sind hingegen - wenn man nicht allzu pingelig ist - eher zum Schmunzeln.


Kriegselefanten und (b)rennende Schweine

Im Zusammenhang mit einem Kriegszug des Diadochen Antigonos I. (gest. 301 v. Chr.) wird vom makedonisch-römischen Autor Polyainos folgende ungewöhnliche Episode berichtet:

Bei der Belagerung von Megara rückte Antigonos mit seinen Elefanten an. Die Megarer bestrichen Schweine mit flüssigem Pech, zündeten sie an und ließen sie laufen. Diese brüllten, als das Feuer sie zu verbrennen begann, und stürzten in vollem Rennen unter die Elefanten, die jetzt wütend durcheinander liefen und sich zerstreuten, der eine hierhin, der andere dorthin. Daher befahl Antigonos für die Zukunft den (als Elefantenführern dienenden Indern), Schweinen bei den Elefanten aufzuziehen, damit sich die Elefanten an deren Anblick und an deren Gebrüll gewöhnten.
Polyainos, Strategika 4,6,3 | Übers.: Kai Brodersen, De Gruyter 2017

Auch wenn sich hier über dem Kampfplatz der köstliche Duft von gebratenem Schweinefleisch ausgebreitet haben dürfte, so war das Vorgehen doch ziemlich wüst. Davon abgesehen wird anhand der beschriebenen Episode wieder einmal ersichtlich, was für einen fragwürdigen Kampfwert Elefanten besaßen (siehe dazu auch mein Beitrag: Die Kriegselefanten Hannibals: Furchterregende Wunderwaffe der Antike?). Diese Tiere ließen sich zu leicht von allem Möglichen nervös machen und wandten sich dann in ihrer Panik oft sogar gegen die eigenen Leute.


Da wird der Hund am Ende des Brenneisens verrückt!

'Heiß' her geht es auch im folgenden Beispiel: In seinem Werk "Poliorketika" (=Stadtverteidigung) schrieb der im 4. vorchristlichen Jahrhundert lebende Militär-Autor Aeneas Tacticus, dass es unter Umständen sinnvoll sei, Hunde während den Nachtstunden im unmittelbaren Vorfeld einer Befestigungsanlage anzuleinen, da ihr Gebell vor sich anpirschenden Feinden (z.B. Spionen) oder davonschleichenden Überläufern warnen kann (Aeneas Tacticus, Poliorketika / Stadtverteidigung 22,1-14 | Übers.: Kai Brodersen, De Gruyter 2017). Dieses für Hunde typische Verhalten konnte aus Verteidigersicht aber auch zu einem Problem werden, dem mit ziemlich drastischen Mitteln zu begegnen war.

Wenn man heimlich in der Nacht auf die in der Nähe lagernden Feinde Ausfälle machen will, muss man Folgendes vorab bedenken: Zuerst muss man darauf achten, das keiner überläuft, dann, dass kein Feuer im Freien brennt, damit nicht der Feuerschein über der Stadt das Vorhaben verrät; auch muss man das Bellen der Hunde und das Krähen der Hühner verschwinden lassen, indem man sie für diesen Zeitpunkt durch Brennen am (entsprechenden) Körper(teil) stumm macht; auch die Stimmen dieser Tiere, die am frühen Morgen zu hören sind, verraten nämlich das Vorhaben.
Aeneas Tacticus, Poliorketika / Stadtverteidigung 23,1-2 | Übers.: Kai Brodersen, De Gruyter 2017

Eine ziemlich dubioser Ratschlag. Wie darf man sich dieses "Brennen" (mit vermutlich einem glühenden Eisen) konkret vorstellen? War der verursachte physische Schaden permanent? Mir will das wahrscheinlich erscheinen, was wiederum die Frage aufwirft, wozu dann beispielsweise so ein Hund noch zu gebrauchen war? Konnte er doch keinen Laut mehr von sich geben und und dürfte somit als Wach- und Herdenhund - immerhin die Hauptaufgaben dieser Tiere in der damaligen Zeit - nicht mehr einsetzbar gewesen sein. Viel Besitzer hätten deshalb der Verstümmelung kaum freiwillig zugestimmt; davon abgesehen, dass bereits in der Antike manch Hundehalter eine innige Beziehung zu seinem Vierbeiner pflegte, wie etwa Grabinschriften belegen. Und überhaupt: Warum hätte man all die potentiell lärmigen Tiere nicht einfach im Hausinneren - am Besten gleich in einem Keller - einsperren sollen? Das erscheint doch ein wesentlich unkompliziertes Vorgehen zu sein, sodass sich die Frage stellt, ob die obige Überlieferung je praktische Anwendung gefunden hat. Ich hoffe nicht.


Maul halten!

Obschon die Überschrift etwas anderes vermuten lässt, so geht es beim folgenden Beispiel in letzter Konsequenz nicht um das Erzeugen von Stille, sondern um das Gegenteil: Möglichst viel Lärm!

Während des Krieges der Peloponesier mit den Lakedaimoniern (Spartanern) schlug Agis bei einer Hungersnot vor, man solle einen Tag lang fasten. Weil er aber die Feinde in Schrecken versetzen wollte, entsandte er einen Überläufer mit der Nachricht, dass in der kommenden Nach ein großes Hilfsheer zu den Lakonern (Spartanern) kommen würde. Dem Vieh ließ er den ganzen Tag hindurch die Mäuler zuschnüren, bei anbrechender Nacht aber wieder losbinden, so dass das Vieh in seinem Hunger ohne Fesseln nun Gras und Weide bekam, deshalb freudig sprang und dadurch ein großes Getümmel verursachte, das durch das Echo in den Bergschluchten vermehrt wurde. Den Soldaten aber befahl er, sich nach verschiedenen Seiten hin zu verteilen und doppelte und dreifache Wachfeuer anzuzünden. Die Peloponesier wurden durch das viele Geschrei und das große Getümmel getäuscht, glaubten, es wäre wirklich eine bedeutende Hilfe gekommen, und beeilten sich sogleich zu fliehen.
Polyainos, Strategika 1,46,1 | Übers.: Kai Brodersen, De Gruyter 2017

Auch in den beiden nächsten antiken Überlieferungen werden Tiere als Radaumacher eingesetzt, um den Feind zu täuschen. Die Methoden sind hier allerdings weniger brachial, obwohl sie heute wohl immer noch in die Kategorie 'Tierquälerei' fallen würden.

Als Perdikkas bei Memphis (in Ägypten) über den Fluss ging und schon viele übergesetzt waren, ließ Ptolemaios (I.) so viele Herden von Ziegen, Schweinen und Kühen wie möglich aus dem Land zusammenbringen und jedem Tier ein Bündel Reisig anbinden, damit durch dessen Fortschleppen recht viel Staub aufgewirbelt würde. Diese wurden also von den Hirten, dazu auch von Reitern getrieben und machten einen gewaltigen Staub; er selbst aber nahm die übrigen Reiter und führte sie gegen den Feind. Dieser schloss aus dem bloßen Staub auf das Anrücken eines großen Heeres und floh sogleich. Die Mehrzahl kam im Fluss um; viele wurden aber auch Lebend gefangen genommen.
Polyainos, Strategika 4,19,1 | Übers.: Kai Brodersen, De Gruyter 2017

Will man aber selbst nachts das Heer der Gegner in Unruhe versetzen, so lasse man junge Herdenkühe mit Glocken und andere Zugtiere in das Lager laufen, die man mit Wein betrunken gemacht hat.
Aeneas Tacticus, Poliorketika / Stadtverteidigung 27,14 | Übers.: Kai Brodersen, De Gruyter 2017

Tiere betrunken zu machen, um sie dann ganz gezielt gegen einen Feind einzusetzen, erinnert mich an den Mordanschlag auf den späteren Wiener Bürgermeister Karl Lueger im Jahr 1893. Ich habe dieses ziemlich skurrile Ereignis im Rahmen einer Buchbesprechung kurz behandelt.


Pferde-Bondage

Nur mäßig angenehm für Pferde dürfte eine besonders bei den Persern weit verbreitete Praxis gewesen sein. Der Grieche Xenophon beschreib sie aus eigener Anschauung:

Als es Abend wurde, war es für die Feinde Zeit abzuziehen; denn die Barbaren schlugen ihr Lager niemals in einer geringeren Entfernung von den Griechen auf als sechzig Stadien, aus Furcht, die Griechen könnten sie in der Nacht überfallen. In der Nacht ist nämlich ein persisches Heer unbrauchbar. Ihre Pferde sind nämlich angepflockt und, wie es meistens geschieht, auch an den Füßen gefesselt, damit sie nicht davonlaufen, wenn sie losgebunden würden.
Xenophon, Anabasis 3,34-35 | Übers.: Helmut Vretska, Reclam 1958/2005

Fußfesseln für Pferde sind vereinzelt auch heute noch in Gebrauch - Stichwort Hobbel (Hobbles). Wie sehr diese aber jenen der Perser oder anderer antiker Völker gleichen ist mir nicht bekannt. Offensichtlich gab (gibt?) es bis in jüngere Zeit eine Vielzahl an mitunter höchst ungemütlich wirkenden Fesselungsvariationen, die z.T. an ausgefallene 'Bondage'-Praktiken aus der SM-Szene erinnern...


Die obigen Beispielen zeichnen ein überwiegend negatives Licht von den Menschen der Antike. Anscheinend fügten sie Tieren leichtfertig Leid zu. Allerdings ist die Sachlage nicht ganz so einfach, denn es gab durchaus auch namhafte Mahner. Mehr dazu in meinem Blogbeitrag "Berührende und außergewöhnliche Beispiele für Tierliebe in der Antike".




3 Kommentare:

  1. Ich hoffe, diese Fesselspiele für Pferde gibt es heute nicht mehr. Das sieht nämlich richtig übel aus. Das haben sich die armen Tiere definitiv nicht verdient.

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    1. Ich bin selbst Pferdebesitzer, aber meinem Tier das Bein so angewinkelt nach oben binden, wie das auf dem einen Foto zu sehen ist, würde mir bestimmt nicht in den Sinn kommen! Das kann den Gelenken auf Dauer sicher nicht guttun.
      Mark V.

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  2. Zu den Elefanten: Die scheinen vor allem ein Prestigeobjekt gewesen zu sein, so nach dem Motto " schaut alle her, ich stehe in der Tradition von Alexander dem Großen". Auch Psychologie wird eine Rolle gespielt haben , nämlich um den Gegner alleine mit der Anwesenheit der Elefanten auf dem Schlachtfeld nervös zu machen. Wenn der aber mitbekommen hat wie überempflindlich Elefanten sein können, vor allem die nicht so gut trainierten, dann war der Vorteil dahin. Teilweise haben die sogar vor Pferden Angst gehabt (und umgekehrt). Wundern tut es mich deshalb nicht, dass Elefanten als Waffe bald wieder verschwunden sind . Schöne Grüße,Hagen

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