Der Zusammenbruch keltischer Kultur
Ich habe noch immer nicht verstanden, warum die Hefte der Reihe "Bayerische Archäologie" bei Amazon in der komischen Rubrik "Broschüre" zu finden sind, anstatt wie z.B. das Sturmgeschütz der Idiotie, auch bekannt als "Der Spiegel", unter "Magazin".
Egal, im ersten Heft des Jahres 2024 geht es schwerpunktmäßig um "Späte Kelten in Bayern". Zeitlich bewegt man sich dabei ungefähr von 250 bis 15 v. Chr. Florierende Oppida (Städte, Großsiedlungen) und Viereckschanzen (Gehöfte mit viereckiger Umwallung) prägten damals weite Teile der Landschaft, bis die ausgeklügelte keltische Gesellschaftsstruktur mit ihren weit ausgreifenden Handelsnetzwerken in der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. auf dem Gebiet des heutigen Bayern weitestgehend zusammenbrach. Wohl nicht zuletzt wegen Caesars jahrelangem Krieg in Gallien, aber auch wegen den Aktivitäten der germanischen Sueben unter ihrem Herrscher Ariovist; der dann seinerseits von Caesar geschlagen wurde. Einige Jahrzehnte später kamen die Römer auch nach Bayern und haben das Land für rund ein halbes Jahrtausend übernommen - aber auch nur, um schlussendlich doch noch gegen die Germanen den Kürzeren zu ziehen. Dass übrigens die daraufhin in Erscheinung tretenden Bajuwaren so eine Art germanisierte Romanen gewesen sein wollen, wie eine Theorie besagt, ist falsch. Das meinen zumindest Peter Wiesinger und Albrecht Greule in ihrem 2019 veröffentlichten Buch "Bayern und Romanen", welches im vorliegenden Heft beworben wird.
In mehreren Beiträgen werden unter anderem die Oppida Manching, Staffelberg und Kelheim betrachtet. Aber auch das Leben außerhalb der Ballungszentrum wird z.B. anhand der Viereckschanzen ein wenig erläutert. Wobei diese nicht überall anzutreffen waren, so etwa war diese Form landwirtschaftlicher Großbetriebe in den Alpengebieten nicht üblich, wie es in einem gesonderten Beitrag zu diesem Teil des keltischen Bayerns heißt. Aber auch das angrenzende Österreich mit der bedeutende Salzmetropole auf dem Dürnberg wird bei den Betrachtungen miteinbezogen. Interessanterweise verdeutlichen Funde im keltischen Alpenraum die enge Verbindung zur Mittelmeerwelt. So wurde etwa ein Eisenbarren entdeckt, der exakt zwanzig römische Pfund wog und wohl für den Export nach Rom bestimmt war.
Viele recht interessante Rekonstruktionszeichnungen von Bauten und ganzen Siedlungen geben einen schönen Eindruck hinsichtlich des Erscheinungsbilds keltischer Architektur. Eine der dargestellten Großsiedlungen hat mich mit ihrem "mediterranen Flair" ziemlich überrascht. Ein Modell des Oppidums Manching enthält nämlich längliche Häuser mit flachen Giebeln und vorne angebauten Säulenhallen/Portiken - sofern man den Interpretationen der Archäologen vollständig vertrauen darf (was immer so eine Sache ist ...). Es heißt, die Kelten hätten sich hier einiges von den Mittelmeervölkern abgeschaut. Haben gegebenenfalls Fernhändler diese Ideen mitgebracht? Vielleicht aber auch heimkehrende keltische Söldner, die z.B. im Dienste Alexanders oder Hannibals gestanden hatten?
Ansonsten ...
Abseits des Schwerpunkts enthält das Heft auch einige andere interessante Themen wie den archäologischen Fund eines Skeletts mit eiserner Handprothese. Datiert wird alles mittels C14 in die Zeit zwischen 1450 und 1620 (was beredt über die Genauigkeit dieser Datierungsmethode Auskunft gibt ...). Erstaunlicherweise sollen alleine in Mitteleuropa bisher rund 50 solcher Prothesen aus dem Spätmittelalter und der frühen Neuzeit entdeckt worden sein. Daraus schließe ich, dass sie dazumal relativ häufig anzutreffen gewesen sein dürften.
In der Rubrik "Gefährdete Häuser" geht es um den drohenden Abriss eines Renaissance-Hauses mit romanischem Kellergewölbe in einer ensemblegeschützten Altstadt. Darf man den Schilderungen glauben, dann haben wir es - wie so oft - mit einer Mischung aus Vernachlässigung durch den Eigentümer und dem hirnlosen Agieren von ignoranten Politikern zu tun, für die die Bezeichnung "Vollpfosten" ein inadäquater Hilfsausdruck wäre. Aber so ist das eben mit dem bayerischen "Denkmalschutz": Finder von archäologischen Objekten enteignet man aufgrund eines angeblich öffentlichen Interesses, während man den abrissbegeisterten Eigentümern von denkmalgeschützten Häusern quasi die Räuberleiter macht.
Nicht uninteressant ist außerdem der Bericht über den Bau sowie den Praxistest von zwei rekonstruierten römischen Patrouillenbooten, deren Vorbilder auf der Zeitachse relativ weit auseinander lagen (Typ Oberstimm und Typ Lusoria). Ort des Tests unter Rudern und Segeln waren die Donau, der Altmühlsee am Rätischen Limes und Belgien. Offenbar dürften die Originale auf keine allzu lange Haltbarkeit ausgelegt gewesen sein, wie sich bei einem der Nachbauten unter anderem anhand eines üblen Pilzbefalls zeigte.
Mir sind in dem Beitrag die Bilder von den Booten übrigens zu klein geraten. Die müssten wesentlich größer sein. Getrost hätte man stattdessen auf den am Artikelende befindlichen aufgeblasenen Anhang mit Literaturangaben verzichten können. Oder, noch besser, man hätte die an eine Schülerzeitung oder an ein Gemeindeblatt erinnernden Erlebnisberichte der "Gesellschaft für Archäologie in Bayern" weggelassen sollen, die immer in der Heftmitte abgedruckt werden. Das banale Gequassel interessiert vermutlich so gut wie keinen Leser. Warum betreibt dieser Verein nicht einfach ein Blog, in dem er dann exklusiv seine paar Mitglieder langweilen kann?
Abschließende Hinweise
1. Die Hefte kosten ab der aktuellen Ausgabe übrigens € 9,90 statt wie bisher € 9,20. Wegen den höheren Produktionskosten, wie es heißt. Stichwort "Inflation", die wiederum bekanntlich von den deutlich gestiegenen Energiepreisen angefeuert wird.
Der "Dank" der Leserschaft für die teurer gewordenen Hefte geht deshalb logischerweise nicht an den Verlag Friedrich Pustet, sondern an die dafür hauptverantwortlichen Politdeppen. Und vergessen wollen wir auch nicht all jene Blödmänner und Blödfrauen, die diese Mischpoke immer und immer wieder wählen.
2. Die nächste, irgendwann im Mai erscheinende Ausgabe von "Bayerische Archäologie" hat das Thema "Die NS-Zeit im Fokus der Archäologie". Danke, ich passe; will heißen, die Rezension des Hefts erspare ich mir vermutlich. Nicht primär weil der Schwerpunkt thematisch wenig zum Blog passt (ich habe ja auch die PLW-Erklärvideos verlinkt), sondern vielmehr weil nach meiner festen Überzeugung die sogenannte "Archäologie der Moderne" weitestgehend eine Verschwendung von Mitteln der öffentlichen Hand darstellt. Hier werden Zeitabschnitte archäologisch beackert, über die wir bereits aufgrund einer Vielzahl von erhaltenen Objekten, Augenzeugenberichten, Foto- und Filmaufnahmen sowie schriftlichen Quellen sehr gut bescheid wissen. Das steht im krassen Gegensatz zu älteren Phasen der Menschheitsgeschichte - wie etwa der Bronzezeit - die wesentlich schlechter erforscht sind.
Die Archäologie ist kein Selbstzweck, sondern eine Hilfswissenschaft der Geschichtsforschung. Entsprechend sollten sich Archäologen auch verhalten und ihre äußerst knappen Ressourcen treffsicher einsetzen. Freilich, mit einer bronzezeitlichen Wallanlage lässt sich als narzisstischer Ausgräber nicht so kommod die eigene Tugend signalisieren wie mit einem mörderischen Konzentrationslager; oder wenigstens einem Kriegsgefangenenlager. Darüber hinaus funktioniert auch das politische Instrumentalisieren der Vor- und Frühgeschichte eher weniger gut. Einige ForscherInnen versuchen es natürlich trotzdem, siehe etwa die Ideologie-Irrwische von der sogenannten "Feministischen Archäologie". Was die seit einigen Jahren so alles an Seemannsgarn zusammenspinnen, reicht aus, um einen Matrosenanzug zu nähen, in den sogar die Ko-Parteichefin einer gewissen deutschen Partei passen würde.
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