Beim Hefttitel "Naturkatastrophen" dachte ich mir, dass man hier bestimmt wieder einmal das ätzende Klimawandel-Angstnarrativ bis zum Abwinken um die Ohren gehauen bekommt. Aber so ist es dann doch nicht gekommen. Beispielsweise weist der Herausgeber schon im Vorwort darauf hin, dass in Regensburg vergangene Hochwässer - etwa im Mittelalter - höher als heutige gewesen sind. Solche Fakten auszusprechen gilt mittlerweile in einigen Kreisen schon als garstige Relativierung und Häresie!
Für mich besonders interessant waren aber die ebenfalls in verschiedenen Beiträgen behandelten Erdbeben und Vulkanausbrüche. Beides bringt man ja heute kaum mit Bayern in Verbindung. Das gilt ganz besonders für letztere Form der Naturkatastrophe - und doch gab es sie noch bis vor Kurzem (kurz im erdgeschichtlichen Sinn 😉). Wer hat außerdem gewusst, dass Schloss Neuschwanstein 2002 um ein Haar von einem Meteoriten getroffen wurde?!
Fakt oder Fake? Erdbeben in Bayern.
Im ausführlichen Heftbeitrag des Geophysikers Erwin Geiss erfährt man viel Interessantes über historische, mitunter sehr weit zurückliegende Erbeben in Bayern. Der Autor erläutert aber auch allgemein interessante Fakten zum Thema Erbeben, etwa den Unterschied zwischen Magnitude und Intensität. Ich hatte beispielsweise keine Ahnung, dass die üblichen Magnitudenskalen logarithmisch sind und sich die Stärke von Stufe zu Stufe um den Faktor 10 (!) erhöht.
Und wenn wir schon bei Fehlannahmen sind. Erwin Geiss zeigt anhand mehrerer Beispiele wie in mittelalterlichen Überlieferungen aufgrund von Lese- sowie Schreibfehlern Erdbeben mehr oder weniger erfunden wurden. Besonders originell fand ich, dass in der Chronik des steirischen Stifts Admont ein im Juni 1170 stattgefundenes Erbeben in Syrien ("Sirjia") versehentlich in die Steiermark ("Stiria") verlegt wurde... Man kann sich nun leicht ausmalen wie verlässlich Klosterchroniken auch in anderen Bereichen - also abseits von Naturkatastrophen - sind. Am Rande sei hier darauf hingewiesen, dass der berühmt-berüchtigte bayerische Chronologiekritiker Heribert Illig diesen Umstand als ein Argument in seiner Theorie von einem erfundenen dreihundertjährigen Zeitraum im Frühmittelalter verwendet (sog. "Phantomzeit-Theorie").
Allerdings ist es auch so, dass Erdbebenereignisse, die man bisher für "Fakes" gehalten hat, plötzlich an Glaubwürdigkeit gewinnen können. Es kommen nämlich im Rahmen von Restaurierungen an Burgen und Kirchen Bauschäden zum Vorschein, die bei näherer Betrachtung auf Erschütterungen hindeuten. Interessant ist, dass die Katastrophe nicht einmal in der Nähe stattgefunden haben müssen. Denn wie es heißt, können statisch grundsätzlich eher labile Bauten wie hochaufragende Kirchen und Burgen selbst dann noch beschädigt werden, wenn das Epizentrum hunderte Kilometern entfernt ist! Ein starkes Beben in Italien konnte daher noch in Bayern solche Bauten ramponieren. Leider dürfte man im Rahmen der archäologischen Forschung und der Denkmalpflege solche Indizien bisher kaum in adäquater bzw. umfänglicher Weise gewürdigt haben. Ist es doch einfacher, Risse im Mauerwerk als bloßen Baupfusch zu erklären (z.B. in Form von zu wenig tiefen Fundamenten und einer deshalb ungleich verteilten "Setzung").
Google it!
Von Johann Rohrmüller und Fabian Kemner stammt ein Beitrag über die nicht immer offensichtlichen Spuren von Vulkanismus in der Oberpfalz. So berichten sie beispielsweise über ein gewaltiges Loch, das eine Vulkanexplosion vor 300000 Jahren aufgerissen hat, als aufsteigendes Magma auf größere Grundwasservorkommen traf. Ursprünglich hatte es 300 Meter Durchmesser und war 100 Meter tief! Zuerst bildete sich ein See darin, der aber im Laufe der Zeit durch Sedimente verlandete und schließlich zum Moor wurde. Dieses wiederum wurde vom Menschen trockengelegt und zum Torfabbau verwendet.
Alles recht interessant. Leider gehen die Autoren davon aus, dass der typische Leser einer Archäologiezeitschrift mit geowissenschaftlichem Fachvokabular etwas anfangen kann. Oder es war den beiden Herren schlicht wurscht, frei nach dem Motto: Google it!
Solche Aussetzer gibt es in Beiträgen der Zeitschrift "Bayerische Archäologie" immer wieder einmal. Letztverantwortlich ist dafür natürlich der Herausgeber. Seine Aufgabe wäre es, hier korrigierend einzugreifen, indem er z.B. in Absprache mit den Autoren erklärende Ergänzungen (z.B. mittels Klammersetzungen) vornimmt. Schlau wäre es natürlich, die Spielregeln gleich vorab so festzulegen und zu kommunizieren, dass es gar nicht erst zu Fachchinesisch-Völlereien kommt.
Ja ist schon wieder Weihnachten?!?
Die sogenannte "Gesellschaft für Archäologie in Bayern" (das sind jene Hanseln, die - vermutlich aus Futterneid - keine wissenschaftlich interessierten Metallsucher bei Lehrgrabungen dabeihaben wollen) berichtet im vorliegenden Heft von der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an eine Funktionärin des Vereins.
Es gibt nach meinem Dafürhalten im Rahmen unserer operettenhaften Demokratien kaum etwas Lächerlicheres als dieses Behängen mit glitzerndem Lametta. Besonders weil es überwiegend staatliche sowie staatsnahe Akteure sind, die man dergestalt für ihr Wohlverhalten bzw. ihre jahrelange Stromlinienförmigkeit gesellschaftlich aufwertet. Das Establishment bauchpinselt sich hier sozusagen gegenseitig. Hingegen bekommt niemand einen Orden verliehen, der ein echter Stachel im Allerwertesten des Parteienstaates und seiner Institutionen ist - siehe beispielhaft die zu guten Teilen von Inkompetenzlern geleitete Denkmalpflege. Noch jeder Archäologe aus Bayern, mit dem ich über die dortige Denkmalpflege gesprochen habe, hat seinen Ärger über die Borniertheit des Gesetzgebers und der ausführenden Behörden zum Ausdruck gebracht; zum Teil unter Zuhilfenahme von eindeutigen Kraftausdrücken (z.B.: "Das neue Schatzregal trägt die klare Handschrift der SPD, die in Bayern von allen Parteien die idiotischste ist. Was bei der intellektuellen Verfasstheit der CSU etwas heißen will!")
Kommentarlos gestrichen
Apropos Denkmalpflege: Allem Anschein nach hat man jene erst vor wenigen Jahren eingeführte Heftrubrik, in der aktuelle Denkmalschutzsünden anschaulich angeprangert wurden, schon wieder eingestampft. Das ist nicht nur bedauerlich, sondern es handelt sich um eine astreine Negativleistung seitens der Heft-Verantwortlichen.
Es bleibt die Frage nach dem "Warum". Ein Mangel an einschlägigen Beispielen wird es wohl kaum gewesen sein. Haben aber vielleicht Politiker/Behördenvertreter Ärger gemacht, weil sie in den Artikeln nur selten gut weggekommen sind? Legte man zu viel Wert auf ein gutes Auskommen mit diesen üblicherweise charakterlich zweit und drittklassigen Individuen? Wie auch immer, die Streichung der Rubrik hinterlässt einen äußerst schalen Beigeschmack.
Fazit: Das Heft hätte aufgrund der guten Beiträge diesmal eigentlich fünf Sterne verdient, aber weil man die Denkmalschutz-Rubrik still und leise verräumt hat, sind es dann doch nur vier geworden.
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