Montag, 24. Juni 2013

Für Nebelgranaten keinen Pulitzer-Preis

Anhand der Zugriffszahlen sehe ich, dass sich für die Vorgänge rund um die Karolingische Klosterstadt relativ viele Leser interessieren. Trotzdem soll dieses Thema hier nicht überstrapaziert werden. Von der einen oder anderen Buchrezension abgesehen, werde ich deshalb meine diesbezügliche Berichterstattung vorerst drastisch zurückfahren. Was zu sagen war, wurde gesagt. Den handelnden Personen dieses leider fehlgeleiteten Projekts, sollte man nicht mehr Aufmerksamkeit widmen, als sie es verdienen. 
Abschließend wird - aus aktuellem Anlass - allerdings noch einmal kurz die Rolle der Presse beleuchtet. Denn sobald die schreibende Zunft Bert M. Geurtens "Kindheitstraum" thematisieren, steht fest, dass der Leser ganz im Sinne des Aacheners und seiner schwäbischen Seilschaften eingeseift werden soll. Unwissenheit, Recherchefaulheit, Eigeninteressen und blinder Lokalpatriotismus führen leider dazu, dass aus seriösem Journalismus Fan-Fiction wird.
Ein besonders anschauliches Beispiel lieferte jüngst eine Mitarbeiterin der Schwäbischen Zeitung. In einem Artikel berichtet fabuliert sie wie folgt:
"In entsprechenden Foren im Internet wird schon länger heftig diskutiert – darüber, dass der Parkplatz mit Baggern geschaffen wird, die Achse des Ochsenkarrens aus Eisen statt aus Holz gefertigt wurde und dass die tönernen Trinkbecher für Besucher einen Eichstrich haben. Sogar die Tatsache, dass die Handwerker unter ihren mittelalterlichen Gewändern Schutzkleidung tragen, geht manchen zu weit."
Hierbei handelt es sich um ein Sammelsurium von Halbwahrheiten. Weder wurde in Frage gestellt, dass die Handwerker unter ihren mittelalterlichen Gewändern Schutzkleidung tragen, noch hat man die maschinelle Schaffung des Parkplatzes kritisiert. 
Die für obigen Unsinn Verantwortliche ist sich dessen auch voll bewusst, denn sie antwortete mir auf eine Anfrage wie folgt:
Guten Tag Herr ...., vielen Dank für Ihre E-Mail. In der Tat ist die Formulierung in dem Text irreführend. Diskutiert wird in den Foren heftig und weniger heftig über alles Mögliche, was die Klosterstadt betrifft – zum Beispiel über die Holzachse (www.mittelalterforum.com). Die konkreten Beispiele stammen aber zum Teil auch von Herrn Sturm, der zahlreiche offene Briefe geschrieben hat (Beispiel Eichstrich) beziehungsweise von anderen Informanten, mit denen ich persönlich gesprochen habe. Mit freundlichen Grüßen .....
Auf meine Frage, ob man im gegenständlichen Artikel bezüglich Parkplatz und Schutzkleidung  eine Präzisierung vornehmen werde, bekam ich keine Antwort. Was allerdings wenig verwundert - schließlich war der inkriminierte Nonsens Voraussetzung und Einleitung für folgendes Fazit:
Bert M. Geurten vertritt diesbezüglich eine klare Linie, über die er nicht mehr diskutiert: „Wir machen hier so viel Mittelalter wie möglich, aber eben auch so viel 21. Jahrhundert wie nötig“, sagt er. Er werde kein einziges Gesetz des Jahres 2013 brechen, „denn am Ende muss ich meinen Kopf dafür hinhalten, wenn was passiert“. Vertretern der Living-History-Szene hat er den Rücken gekehrt und blickt stattdessen nach vorne – schließlich geht am Samstag für ihn ein jahrzehntelanger Traum in Erfüllung.
Man sieht, ohne vorab mittels tatsachenverzerrenden Behauptungen zu insinuieren, dass es sich bei den Kritikern um irrationale Authentizitäts-Dschihadisten handelt, deren Fanatismus nicht einmal vor dem Arbeitsschutz halt macht, hätte Herrn Geurtens abgenudelte Rechtfertigunsleier unmöglich ihre beabsichtigte Wirkung entfalten können. 
Der Durchschnittsleser der Schwäbischen Zeitung fragt sich nun nicht etwa, "von was laberte der eigentlich", sondern er wird stattdessen vor diesem vermeintlichen Pragmatiker seinen Hut ziehen. 

Nach einem ähnlichen Muster ist ein Audiobeitrag von SWR1 gestrickt: Klick mich
Auch hier darf Herr Geurten unwidersprochen den Arbeitsschutz bemühen. Seine Steinmetze müssen Schutzbrillen tragen, sagt er, und erweckt damit den falschen Eindruck, dass genau dies grundsätzlich von der Living-History-Gemeinde in Abrede gestellt wird.
Den Höhepunkt seiner Darbietung stellt jedoch ein Plädoyer für den Tierschutz dar. Die rhetorische Masche ist hierbei die gleiche wie schon beim Arbeitsschutz. So behauptet er, dass er Probleme mit Tierschützern bekäme, wenn seine Zugochsen ein Joch tragen müssten. Konsequent "vergisst" er zu erwähnen, dass dies gar nicht verlangt wurde (obwohl das Joch dem deutschen Tierschutzgesetz nicht per se widerspricht).
Besonders unglaubwürdig mutet Bert M. Geurtens Sorge um die Tierwelt an, wenn man bedenkt, dass er wohl noch vor nicht allzu langer Zeit kein gesteigertes Problem mit dem Vorschlag hatte, zum Gaudium des Publikums in regelmäßigen Abständen einen Elefanten über die Klosterbaustelle zu treiben...

Fazit: Bei dem Herrn und seinen journalistischen Hofberichterstattern ist Hopfen und Malz verloren. Von der postulierten Wissenschaftlichkeit des Projekts bleibt wenig übrig. 


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Aachener Zeitung: Dunkle Wolken über der Klosterstadt - Klick mich
Bund der Steuerzahler: Kommt die Kloster-Katastrophe? - OFFLINE
Zollern-Alb-Kurier: Meßkirch muss nachschießen - OFFLINE
Tribur.de (Geschichte und so Zeugs):  Die Akte Campus Galli - Klick mich
Agis kritischer Bildbericht vom Campus Galli: Klick mich
Tribur.de (Geschichte und so Zeugs): Spiegel Geschichte und der Campus Galli - Klick mich
Mittelalter-Stadt "Campus Galli" - Weniger Besucher, mehr KritikKlick mich

13 Kommentare:

  1. "Seine Steinmetze müssen Schutzbrillen tragen" sagt Bert Geurten.

    Ach ja? Tun sie aber nicht: Bild 24
    http://www.schwaebische.de/journal/vermischtes/fotoreportagen_galid,77255.html

    Tatsächlich scheint mir bei diesem Campus Galli viel Blendwerk im Spiel zu sein. Man wird abwarten müssen, wie es sich darstellt, wenn die Anfangs-Euphorie verflogen ist.

    P.S.: Einer der Hauptkritikpunkte von Sturm war doch, dass der Rundweg nicht dem frühmittelalterlichen Siedlungmuster entspricht. Darüber liest man interessanter Weise gar nichts.

    Gruß,
    Rabensohn

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    1. Das Bild sieht mir irgendwie sehr gestellt aus.
      Es gibt allerdings zwischenzeitlich auch schon andere Fotos im Netz, auf denen ein Campus-Steinmetz ohne Schutzbrille zu sehen ist.
      Letztendlich muss jeder für sich selbst entscheiden, wie er das handhabt. Die Gläser dieser Brillen laufen, wenn sich der Körper bei der Arbeit erhitzt, mitunter an. Ein Umstand, der punkto Arbeitssicherheit auch nicht gerade ein Pluspunkt ist.

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    2. Das auf dem Bild ist doch eine SteinmetzIN - also, alles in Butter.

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  2. Hier noch ein Beispiel für die "Hofberichterstattung", Fremdenverkehrswerbung ala Spiegel:
    http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/in-messkirch-entsteht-eine-stadt-wie-im-mittelalter-a-907375.html#ref=rss

    Dein Isí

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    1. Der Spiegel ist eben auch nicht mehr das, was er ohnehin nie war.

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    2. Den Vogel schießt die Südwestpresse ab. Dort wird ernsthaft behauptet, bereits am ersten Tag (an dem der Campus Galli noch dazu am Vormittag geschlossen hatte) wären TAUSENDE Besucher gekommen. http://tinyurl.com/kg3cr6c
      Alle anderen Quellen sprechen von ein paar Hundert. Außerdem wird klar gesagt, dass die Besucher am Eröffnungstag noch noch gar nicht genau gezählt wurden http://tinyurl.com/lwr9ycq
      QX

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    3. Ich bekam eben folgende Information herein:
      Am Eröffnungstag waren es 267 zahlende Besucher, am zweite 410.
      Hier von Tausenden zu sprechen, erscheint im Angesicht dessen reichlich grotesk.
      BTW, Meßkirch hat 8000 Einwohner, mein Geburtsort 4000.
      Wenn in letzerem die Musikkapelle ein 08/15-Konzert gibt, kommen rund 500 Personen. Nur mal so zum Vergleich...

      http://www.schwaebische.de/region/sigmaringen-tuttlingen/messkirch/stadtnachrichten-messkirch_artikel,-Am-Eroeffnungswochenende-kommen-677-zahlende-Gaeste-in-die-Klosterstadt-_arid,5457961.html

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    4. Am Eröffnungswochenende waren es an beiden Tagen ca. 750 Leute. Die wissen genau wie viele das waren, schließlich wurden ja auch Tickets für den Eintritt ausgegeben. Ich denke sie wollten es nur nicht öffentlich machen, da der Andrang gering war. Seit der Eröffnung stehen täglich vielleicht an die 5-10 Autos. Sehr wenig...wovon man nicht weiß wie viele Autos von den Mitarbeitern auf dem Parkplatz stehen. Negative Kritik kann man überall von enttäuschten Besuchern lesen...es wird auf Fragen nicht reagiert, fühlt sich als Last wenn man eine Station anläuft...Kinder weniger erwünscht. Fachlichkeit fehlt wohl total...lass mer uns überraschen wie es noch weiter geht...

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  3. Die Ochsen tragen jetzt zwar kein Joch, aber Nasenringe.
    Die sind zwar auch erlaubt, aber darauf reagieren viele Tierschützer trotzdem richtig rabiat. Dass dem Klosterstadt-Chef das offenbar nichts ausmacht zeigt wie unglaubwürdig seine ganze Argumentation ist.

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    1. Dieses Faktum rundet das Bild in der Tat vortrefflich ab!

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  4. Aber hallo, wie darf man denn das verstehen, was da anläßlich der Eröffnugsfeier des Campus Galli gesagt wurde!?!

    "Stadtpfarrer Karl-Michael Klotz, Martin Schnegg, Pastor der Meßkircher Mennonitengemeinde, und der altkatholische Diakon Robert Geßmann hielten Ansprachen. Klotz sah das Kreuz als „Zeichen der Mahnung“. „Die Mönche wollten ein Haus Gottes“, sagte er und stellte an Geurten gerichtet die Frage: „Von was träumen Sie?“ Deshalb wolle er NICHT das Kreuz segnen, sondern die Menschen, die auf der Klosterstadtbaustelle arbeiten, sagte der Stadtpfarrer.

    http://www.suedkurier.de/region/linzgau-zollern-alb/messkirch/Grosser-Festakt-fuer-die-Klosterstadt;art372566,6128421

    Hat sich da jemand nicht an die Regieanweisungen gehalten?

    Liebe Grüße,
    Simone

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  5. http://www.karfunkel.de/inhalt_html/01news/detail.php?id=610

    Es gibt Neuigkeiten! Und langsam werden die Anschuldigungen (hier von Anonym) anscheinend ernster bis in einen kritischen Bereich... für beide Parteien.

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