Nun war der gute Mann jüngst in der vom Staatssender SWR produzierten Sendereihe Planet Wissen (Video) zu Gast, um dort sein von staatlichen Stellen mitfinanziertes Projekt zu bewerben. Die beiden Moderatoren fungierten hierbei als bloße Stichwortgeber, denn die Fragen dürften vermutlich bereits größtenteils im Vorfeld der Aufzeichnung grob abgesprochen worden sein. Herr Geurten konnte sich seine Antworten daher kommod zurechtlegen. Trotzdem wollen wir diese Wortspenden hier einem kleinen Faktencheck unterziehen:
1. Geurten äußert sich zur Dauer der vergangenen Saison 2013 wie folgt:
"...wir haben also nur drei Monate auf gehabt."
Wirklich? Vom 22. Juni bis Mitte November waren es nur drei Monate? Wird hier möglicherweise der Versuch unternommen, durch übertriebene Tiefstapelei den aberwitzig geringen Baufortschritt zu rechtfertigen?
2. Zur Ostung seines winzigen Holzkirchleins erklärt Geurten:
"Es wurde die genaue Ostrichtung die am 1. August ist festgelegt, weil Osten jeden Tag ein bisschen anders liegt."
Soso, Osten liegt also jeden Tag "ein bisschen anders". Hier spricht offenbar der wahre Fachmann ;)
In Wirklichkeit liegt Osten natürlich stets genau im Osten. Die Himmelsrichtungen ändern sich nicht, sondern nur der Punkt des Sonnenaufgangs, welcher im Laufe des Jahres leichten Schwankungen nach Norden und Süden unterworfen ist - siehe folgenden Beitrag dazu.
Erstaunlich, dass Herr Geurten nach etlichen Jahren der Projektplanung und Vorbereitung noch immer dermaßen ahnungslos ist. Vielleicht sollte er nicht nur PR-Termine wahrnehmen, sondern endlich etwas gegen seine Halbbildung unternehmen. Nicht jeder lässt sich dermaßen leicht beeindrucken, wie die beiden ahnungslos lächelnden "Qualitätsjournalisten" des SWR.
3. Über den wissenschaftlichen Anspruch des Projekts sagt Herr Geurten:
"Wir haben ja 18 Wissenschaftler, die uns unterstützen [...] wir werden Experimentelle Archäologie machen..."
Auch das entspricht kaum den Tatsachen, denn der hier mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gemeinte Wissenschaftsbeirat hatte 18 Mitglieder. Bereits nach der ersten Saison schieden bezeichnenderweise 5 von ihnen wieder aus bzw. wurden von der Liste der Beiräte gestrichen - vergleiche folgenden archivierten Eintrag mit dem aktuellen Stand vom 29.04. (zukünftige Änderungen der Zusammensetzung können nicht berücksichtigt werden). Demzufolge umfasst dieses Gremium mittlerweile nur noch 13 Personen. Dass sich unter den Abgängen überdies die beiden einzigen mitwirkenden Experimentalarchäologen befinden, nämlich Frank Andraschko und Christian Koepfer, dürfte für Bert M. Geurten besonders peinlich sein.
Verwunderlich ist diese Entwicklung jedoch nicht. Dem Vernehmen nach wurden gerade die Herren Koepfer und Andraschko so gut wie nicht in die Planung und Umsetzung der Klosterstadt mit eingebunden. Christian Koepfer, hauptberuflich wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Alte Geschichte an der Universität Augsburg, drückte dem Betreiber dieses Blogs bereits im vergangenen Jahr sein Befremden darüber aus und bezweifelte auch den experimentalarchäologischen bzw. wissenschaftlichen Charakter des Campus Galli.
An kritischen Worten wie diesen (oder jenen) mag es auch gelegen haben, dass er ohne vorherige Kontaktaufnahme aus dem Wissenschaftsbeirat entfernt wurde. Trotz des schlechten Stils, denn die Leitung des Campus Galli hier an den Tag gelegt hat, soll sich Herrn Koepfers Gram über seine Streichung in Grenzen halten.
An kritischen Worten wie diesen (oder jenen) mag es auch gelegen haben, dass er ohne vorherige Kontaktaufnahme aus dem Wissenschaftsbeirat entfernt wurde. Trotz des schlechten Stils, denn die Leitung des Campus Galli hier an den Tag gelegt hat, soll sich Herrn Koepfers Gram über seine Streichung in Grenzen halten.
4. Bert M. Geurten über den Zwang Kompromisse einzugehen:
"Wir leben im 21. Jahrhundert. Es gibt einige Leute die kritisieren das und sagen ihr müsst das so machen wie im 9. Jahrhundert [...]. Wir haben aber Vorteile, beispielsweise den (modernen) Arbeitsschuh (mit Stahlkappen), den müssen wir verwenden, aber auch der Holzschuh ist in Baden-Württemberg teilweise als Arbeitsschuh anerkannt; passt natürlich hervorragend."Wie sieht nun aber die Realität aus? Tragen seine Arbeiter diese aus historischer Sicht zumindest halbwegs vertretbaren Holzschuhe? Nein, stattdessen laufen einige Handwerker ungeniert mit modernen Sandalen und Turnschuhen durch die Gegend, wie man anhand entlarvender Aufnahmen erkennen kann. Das entspricht weder dem als Rechtfertigung bemühten Arbeitsschutz noch darstellerischen Qualitätskriterien.
Herrn Geurtens mediale Selbstinszenierung als aufrechter Pragmatiker ist eine Farce. Sein scheinbar mühsamer Versuch einen Spagat zwischen den Gesetzen der Gegenwart und der Lebensweise der Vergangenheit zu schaffen ist oft nichts anderes als ein billiger Vorwand um Ideenlosigkeit und Unwillen zu kaschieren. Dass den Besuchern dadurch ein fiktives Zerrbild des frühen Mittelalters geboten wird, interessiert den guten Mann offenbar nicht. Sein Weg ist vielmehr der des geringsten Widerstandes.
Ein besonders krasses Beispiel für die am Campus Galli vorherrschende Schludrigkeit:
Ist jenes vermittelte Bild korrekt, demzufolge Menschen im europäischen Frühmittelalter häufig unter Planen bzw. Sonnensegeln ihren handwerklichen Tätigkeiten nachgingen?
Ist jenes vermittelte Bild korrekt, demzufolge Menschen im europäischen Frühmittelalter häufig unter Planen bzw. Sonnensegeln ihren handwerklichen Tätigkeiten nachgingen?
Mitnichten, denn es finden sich keine Hinweise auf derlei Textil-Überdachungen in den Quellen der betreffenden Zeit. Komplette Zelte kommen zwar vereinzelt vor, z.B. im Utrechter Psalter, jedoch nicht im Kontext einer Baustelle, sondern allerhöchstens im Umfeld der Oberschicht. Besagte Zelte bestanden aus besonders dicht gewebtem Leinenstoff, der im Mittelalter händisch hergestellt wurde. Dementsprechend hatte dieses Material einen sehr hohen Anschaffungspreis. Kein einfacher Handwerker konnte sich solch einen Luxus leisten!
Andreas Sturm, der dem Campus Galli aufgrund fachlicher Differenzen mittlerweile den Rücken gekehrt hat, schrieb 2011 in seinem Aufsatz über Schutzhütten und Unterstände folgendes:
Diese in Summe völlig inflationäre Verwendung von Zeltplanen sorgt letztendlich dafür, dass die Besucher des Campus Galli weniger in die Atmosphäre einer karolingischen Baustelle eintauchen, sondern vielmehr in die eines orientalischen Basars!
Dass die zuständigen wissenschaftlichen Beiräte hier nicht längst eingeschritten sind, zeugt entweder von einer massiven Sehstörung oder totaler Rückgratlosigkeit. Vor allem erhärtet diese auffällige Untätigkeit jedoch den Verdacht, dass der Beirat den Charakter eines Feigenblattes haben könnte.
Im Angesicht all dieser Schludrigkeit schlägt es quasi dem Fass die Krone ins Gesicht, wenn Bert M. Geurten in einem Video auf schwaebische.de behauptet:
Andreas Sturm, der dem Campus Galli aufgrund fachlicher Differenzen mittlerweile den Rücken gekehrt hat, schrieb 2011 in seinem Aufsatz über Schutzhütten und Unterstände folgendes:
Für ein einziges „Sachsenzelt“ von ca. 3 x 5 x 2,5 (l x b x h) m benötigt man dagegen etwa 45 m ungleich schwereren Leinen- oder Hanfcanvas. Ein Leinenhemd kostete durchschnittlich 12 Denare (= 1 Solidus); demnach könnte man den Materialwert für ein derartiges Zelt (die unterschiedliche Stoffqualität unberücksichtigt) mit etwa dem 12-fachen (3,75 m x 12 = 45 m) mit 144 Denare (= 12 Solidi) ansetzen. Das entspricht in etwa dem Gegenwert eines Kettenhemdes oder eines Pferdes; einer Herde von 12 Kühen oder 7 Schweinen. Da ein Canvasgewebe deutlich mehr Fasermaterial als ein Hemdenstoff verbraucht, dürfte dieser Wert noch zu niedrig ausfallen.Den Verantwortlichen des Campus Galli stehen diese wissenschaftlichen Rechercheergebnisse zur Verfügung. Man weiß also ganz genau, dass Zeltplanen für einen frühmittelalterlichen Baustellenbetrieb aufgrund des Kostenfaktors ahistorisch und völlig unrealistisch sind. Beachtet wird diese Tatsache jedoch weder vom Vereinsvorsitzenden Bert M. Geurten noch von seinem Haus- und Hofhistoriker Erik Reuter oder dem Bauleiter Thomas Fuhrmann. Stattdessen gibt man sogar zusätzliche 1000 Euro für ein Sonnensegel aus, welches am Nachbau einer angeblich frühmittelalterlichen Scheune(!) angebracht werden soll.
Diese in Summe völlig inflationäre Verwendung von Zeltplanen sorgt letztendlich dafür, dass die Besucher des Campus Galli weniger in die Atmosphäre einer karolingischen Baustelle eintauchen, sondern vielmehr in die eines orientalischen Basars!
Dass die zuständigen wissenschaftlichen Beiräte hier nicht längst eingeschritten sind, zeugt entweder von einer massiven Sehstörung oder totaler Rückgratlosigkeit. Vor allem erhärtet diese auffällige Untätigkeit jedoch den Verdacht, dass der Beirat den Charakter eines Feigenblattes haben könnte.
Im Angesicht all dieser Schludrigkeit schlägt es quasi dem Fass die Krone ins Gesicht, wenn Bert M. Geurten in einem Video auf schwaebische.de behauptet:
"Hier entsteht unser Marktplatz, der im Mittelalter genauso(!) ausgesehen hätte."Peinlich für Herrn Geurten ist freilich, dass bereits die nächste Kameraeinstellung diese kategorisch formulierte Aussage völlig ad absurdum führt, denn unter anderem sind auch hier wieder die hochgradig unsinnigen Sonnensegel zu erkennen, welche mit etwas gutem Willen z.B. durch historisch belegte Holzschindeln ersetzt werden könnten. Doch gerade der Wille ist es eben, an dem großer Mangel herrscht. Stattdessen baut man auf die Unwissenheit der Besucher.
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Sehr interessant und Sachlich geschrieben.Ich werde natürlich auch weiterhin ein Auge darauf werfen wie sich die Klosterstadt so entwickelt.Eins kann man auf jedenfall schon jetzt sagen es bleibt spannend ^^
AntwortenLöschenLG Ingo
Man will ja niemandem Unrecht tun, aber mir stellt sich bei diesem unübersehbaren Wissenschaftspfusch schon die Frage, was denn wirklich die Beweggründe für die verbliebenen "Wissenschaftler" sind, deretwegen sie sich nach wie vor als Feigenblatt benutzen lassen.
AntwortenLöschenWenn ich z.B. lese, dass Dr. Barbara Schedl von der Uni Wien im Vorfeld der Saisoneröffnung ihr neues Buch vom St. Galler Klosterplan vorstellt, dann kommt der Verdacht auf, dass die Frau auf "Synergieeffekte" schielt.
http://www.suedkurier.de/region/linzgau-zollern-alb/messkirch/Auf-dem-Campus-Galli-darf-gerne-mit-angepackt-werden;art372566,6840475
Wie und wo könnte sie schließlich besser werben?
Doch selbst wenn die Frau aus reiner Menschenfreundlichkeit im Wissenschaftsbeirat sitzt, bleibt immer noch die Frage, wieso sie nicht gegen diese Zeltplanen protestiert? Mangelt es ihr am nötigen Fachwissen diesen üblen Fehler zu erkennen? Ausgerechnet ihr, die eben ein Buch über den Klosterplan verfasst hat?
Ja aber was mach sie dann überhaupt im Beirat? Dann könnte man doch gleich einen Rauchfangkehrer oder eine Friseuse da reinsetzen.
Gruß
J. Markwart
Bisher hat der Campus Galli noch nichts publiziert, das die Bezeichnung experimentelle Archäologie verdienen würde. Bestenfalls betreibt man eine extrem nachlässige Spielart von Living History.
AntwortenLöschenUnd dieser "Wissenschaftsbeirat" ist ein absoluter Witz, wenn er nicht einmal dafür sorgen kann, dass die Unterstände historisch adäquat errichtet werden.
Ich würde keine Sekunde meiner Lebenszeit verschwenden, um einem Phrasendrescher wie diesem Guerten dabei zu helfen, eine wissenschaftlich fast komplett wertlose Kulisse zu erreichten. Dass die meisten Medien sein Geschwafel völlig unkritisch übernehmen ist eine Schande für diese Zunft.
Schöne Grüße,
Gerhard
Wenn jemand behauptet er würde Experimentelle Archäologie betreiben, dann muss er sich auch an die klar definierten wissenschaftlichen Spielregeln halten. Von zentraler Bedeutung sind hierbei entsprechende Publikationen in denen Fragestellungen, Rahmenbedingungen und Ergebnisse der Experimente festgehalten werden. Davon kann ich beim Campus Galli weit und breit nichts erkennen, obwohl doch schon die Werkplätze der Handwerker errichtet wurden.
LöschenDass Matthias Becher und Klaus Grewe ihre guten Namen für so einen unwissenschaftlichen Unsinn riskieren, ist mir unverständlich. Ich kann es mir nur so erklären, dass ihnen das Ausmaß der unsachgemäßen Herangehensweise noch nicht im vollen Umfang bekannt ist.
MfG,
Manfred D. Gläser
schon die Herangehensweise entbehrt jeder Wissenschaftlichkeit, man scheint wirklich nur nach Gutdünken herumzubasteln statt - wie Experimentalarchäologen es sollten - Quellen zu konsultieren und entsprechende Vorarbeiten zu studieren (siehe Blasebalgreko).
LöschenHallo Hiltibold, bis kommenden Freitag läuft noch die Namenssuche für das zugelaufene Zicklein auf Campus knalli (s.aktueller Bericht Südkurier vom 6.5.).Nicht, dass du dich nachher beschwerst, man hätte dir nicht rechtzeitig Bescheid gesagt.Also,bitte bis kommenden Freitag Vorschlag einreichen. :-)
AntwortenLöschenLG Eva
Laut einem Zeitungsbericht in der lokalen Presse waren seit der Eröffnung, (anfang April ) bisher 4500 Besucher beim "Campus Knalli". Ich fahr sehr oft täglich zweimal an der Baustelle vorbei und das zu Besuchszeiten (ca. 11 und 16 Uhr ) da stehen im Schnitt 8 bis 10 PKW und eventuell mal ein Kleinbus auf dem Parkplatz. Da stellt sich für mich (und auch für viele die da lang fahren ) wo kommen diese Besucherzahlen her ? Auch im Oktober 2013 können wir hier von einer wundersamen Vermehrung berichten, binnen 20 Tagen hat sich die Besucherzahl in diesem Monat quasi verdoppelt.
AntwortenLöschenKann da jemand nicht Rechnen bzw. sieht da jemand "doppelt" , aber ja , jeder Mensch hat ja bekanntlich "zwei Beine", gut das die Tausendfüßler nicht mitgezählt werden.
Wenns wegen unseren Steuergeldern nicht zum Weinen wär würd ich glatt über diese Zahlenverdreher lachen ;-)
der letzte Krieger
Auch ich bin über die Zahl 4500 erstaunt. Ich fahre auch täglich zur Arbeit an der Baustelle vorbei. Vor einigen Tagen habe ich dort den 1. Reisebuss gesehen.Ansonsten sind immer eine überschaubare Anzahl PKW´s dort, die auf dem übergroßen Parkplatz recht verloren aussehen. Man vergesse aber nicht den Eröffnungstag: Da war wirklich die Hölle los. Der Parkplatz war voll und die Leute parkten an der Straße in einer langen Schlange. Es war aber auch einer der ersten schönen u. warmen Tage im Jahr und das große und stark beworbene Eröffnungsprogramm hat wohl etliche Leute aus dem Umland angelockt. Das hat die Zahlen natürlich schon aufgefrischt;-)
AntwortenLöschenLG Cassandra
Hier noch ein Artikel aus der Schwäbischen vom 12.5.:
AntwortenLöschenhttp://www.schwaebische.de/region_artikel,-Kandidaten-befuerworten-Messkircher-Campus-Galli-_arid,10010627_toid,494.html
Die Lokalpolitiker unterstützen den CG noch, aber von der finanziellen Situation offenbar nicht wirklich überzeugt - ist das die Vorbereitung zum geordneten Rückzug?
(Achtung, ab Juni will die Schwäbische alte Artikel hinter eine Paywall stellen, also beizeiten lesen!)
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