Donnerstag, 24. April 2014

Die Zahlenmagier vom Campus Galli

Als Bert M. Geurten, ein ehemaliger Journalist und Kaufmann aus Aachen, dem Gemeinderat der südbadischen Stadt Meßkirch große Geldmittel für sein pseudomittelalterliches Bauprojek Campus Galli aus dem Kreuz leierte, tat er dies unter Zuhilfenahme eines rosig getünchten Wirtschaftsplans, der mittlerweile nicht einmal mehr das Papier wert ist, auf dem er einst gedruckt wurde.
So liegen dem Betreiber dieses Blogs vertrauenswürdige Unterlagen aus dem Jahr 2011 vor, in denen für die erste Saison 40.000 Besucher prognostiziert wurden; tatsächlich gekommen sind allerdings nur 12 225, also nicht einmal ein Drittel! Jene für die zweite Saison getätigte "Vorhersage" fiel mit 80.000 sogar noch weitaus utopischer aus; die "normative Kraft des Faktischen" zwang die Projektbetreiber zwischenzeitlich jedoch dazu, diese Zahl um rund die Hälfte zu reduzieren. Dass man im vierten Jahr 150.000 Besucher am Campus Galli begrüßen wird können glaubt ohnehin niemand mehr. Stattdessen gibt der in die Causa tief verstrickte Meßkircher (Schild-)Bürgermeister Arne Zwick schwammig formulierte Durchhalteparolen aus, die in ihrer provokanten Trivialität kaum noch zu überbieten sind.  
"Wir vertreten die Auffassung, wir lassen dem Projekt Zeit sich zu entwickeln, weil alles muss sich entwickeln, nichts funktioniert von Anfang an; und wenn sich's positiv entwickelt, sind wir natürlich auch gerne bereit das weiter zu unterstützen." (SWR 4 - Radio Tübingen, 17.04.2014)
Was konkret unter "positiv entwickelt" zu verstehen ist, wird wohlweislich nicht näher erläutert. Demzufolge könnte Herrn Zwick selbst ein minimaler Besucher-Zuwachs als Vorwand dienen, noch viele Jahre lang Steuergeld in dieses Fass ohne Boden zu buttern. Die Hauptverantwortlichen dürften aus karrieretechnischen Erwägungen schließlich kein gesteigertes Interesse daran haben, den Campus Galli allzu bald als Totalverlust abzuschreiben. Ähnlich einem Schuldner, der nach dem Motto "aus den Augen, aus dem Sinn" Mahnschreiben ungeöffnet schubladisiert, schiebt man auch diese Causa auf die lange Bank.
Darüber hinaus ignoriert der Meßkircher Bürgermeister bei seinen argumentativen Verenkungen geflissentlich, dass im ursprünglichen Wirtschaftsplan, der wohl Grundlage für die positive Entscheidung des Gemeinderates gewesen sein dürfte, klipp und klar festgehalten wurde:
Anschubfinanzierung für vier Jahre, darüber hinaus aber keine Folgefinanzierung der laufenden Kosten (Zitat aus vertrauenswürdigen Schriftstücken, die dem Blogbetreiber vorliegen)
Exakt diese Anschubfinanzierung musste jedoch bereits nach der verlustreichen 1. Saison massiv aufgestockt werden und eine langfristige Folgefinanzierung nach 4 Jahren ist aus heutiger Sicht keinesfalls auszuschließen.
Die deshalb vom Bund der Steuerzahler geäußerte Kritik perlt am Duo Geurten-Zwick wie an an einer Pfanne mit Teflonbeschichtung ab. Auf den Umstand angsprochen, dass im Vorjahr nicht einmal die Hälfte der zuletzt angekündigten 30.000 Besucher kam, antwortet  Geurten schnoddrig:
"Wir haben erst am 22. Juni (2013) eröffnet (statt April) - das muss man dazu sagen. Uns fehlten die ganzen Busse. Und den Leuten vom Bund der Steuerzahler kann ich als ehemaliger Journalist nur sagen, man soll besser recherchieren." (SWR 4 - Radio Tübingen, 17.04.2014)
Nehmen auch wir Herrn Geurten beim Wort und sehen uns ganz genau an, was er in einem am 20. Juni(!) 2013 veröffentlichten Interview - also nur wenige Tage vor der Eröffnung seines prekären Mittelalterparks - vollmundig verkündete: 
„Ich kalkuliere für die erste Saison mit 250 Besuchern täglich.“ (= in Summe über 30.000 Besucher bis zum Saisonende im November 2013)
Im Angesicht dessen darf man es wohl als besondere Dreistigkeit bezeichnen, wenn Bert M. Geurten zum wiederholten Mal den irreführenden Eindruck erweckt, als wäre es im Juni 2013 für ihn noch nicht abschätzbar gewesen, dass sich die beiden vorangegangenen Fehl-Monate April und Mai negativ auf die Besucherzahlen auswirken würden. Soll heißen, die völlig falsche Prognose von den 30.000 Besuchern (welche ohnehin bereits weit unter den 40.000 des Wirtschaftsplans liegt!) wurde im vollen Wissen des verspäteten Saisonstarts getätigt!
Auch ansonsten scheint dieser Mensch einen höchst kreativen Umgang mit Zahlen zu pflegen. So behauptete er noch im März diesen Jahres, in der Saison 2013 hätten den Campus Galli 13.000 Menschen besucht. Wenig später wurden seitens des Wirtschaftsbeirates der Klosterstadt die tatsächlichen Zahlen verlautbart; und siehe da, plötzlich waren es nur noch 12.225 - also rund 12.000!
Es stellt sich natürlich die Frage, wieso ausgerechnet ein ehemaliger Kaufmann(!) nicht in der Lage ist zumindest halbwegs korrekt zu runden. Wo hat Bert M. Geurten denn bitteschön das Rechnen erlernt? In Hogwarts?

Im Übrigen scheint man sich beim Campus Galli noch nicht darauf geeinigt zu haben, wie viele Besucher in der diesjährigen Saison erwartet werden. Herr Geurten spricht von 30.000, sein Kollege Arne Zwick fabuliert gar von 44.000. Entweder soll hier größtmögliche Verwirrung gestiftet werden oder aber die beiden Herrschaften setzen ein unterschiedlich großes bzw. kleines Vertrauen in ihr Bauprojekt.
Indessen strichen der im Umfeld des Campus Galli vom Sozialverein Werkstättle betriebene Imbissstand sowie ein Kloster-Laden bereits nach der ersten Saison wegen allzu schlechter Geschäfte ihre Fahnen.

Bezeichnenderweise wurde laut Wirtschaftsbeirat im Klosterstadt-Budget 2014 der Anteil an Spenden deutlich niedriger angesetzt als im Vorjahr. Die wissenschaftlichen und didaktischen Qualitätsmängel dieses Projekts sind mittlerweile vermutlich allgemein bekannt, so dass lediglich eine Handvoll Einfallspinsel sich bisher dazu verleiten ließ das Beutelchen zu zücken oder gar als unbezahlte Helfer selbst mit Hand anzulegen.
Zweifel an der Seriosität des Campus Galli scheinen zunehmend auch im Wissenschaftsbeirat aufzukommen, denn in den ersten Monaten nach seiner Konstituierung schieden bereits fünf Mitglieder aus; vergleiche den archivierten Eintrag mit dem aktuellen Stand (Achtung, die Zusammensetzung kann sich zukünftig natürlich ändern!)
Dreizehn vermutlich besonders dickfellige und merkbefreite Damen und Herren bleiben vorläufig auf ihren Sesseln kleben. Dass sich darunter keiner der beiden Experimentalarchäologen des Projekts befindet, nämlich Frank Andraschko und Christian Koepfer, spricht vermutlich für deren Intelligenz und Integrität. Eigentlich müsste ihr Abgang dem Klosterstadt-Zampano Geurten überaus peinlich sein, denn welchen wissenschaftlichen Wert kann ein angeblich experimentalarchäologisches Projekt dieser finanziellen Größenordnung haben, wenn kein einziger Experimentaloarchäologe daran beteiligt ist? Doch auf dieses Thema wird nächste Woche in einem gesonderten Beitrag näher eingegangen.

Abschließend sei noch einmal Bert M. Geurten zitiert. In der für ihn typisch großsprecherischen Art meinte er kürzlich:
"Für Meßkirch ist der Campus Galli ein Gewinn, die Klosterstadt macht Meßkirch deutschlandweit und international bekannt." 
"International bekannt" ja, lieber Herr Geurten, aber zunehmend in einer Form, die, wenn auch in einem kleineren Maßstab, an den Berliner Hauptstadtflughafen gemahnt ;)


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19. Mai 2017: Chronik des Campus Galli 2017 - Von "Mohamedanern" und lässig verteiltem Steuergeld

Alle meine Beiträge über den Campus Galli - inkl. der hier nicht gelisteten Kurzmeldungen

Externe Beiträge und Artikel:

Karfunkel: Causa Galli - Was ist los am Bodensee? - OFFLINE
Aachener Zeitung: Dunkle Wolken über der Klosterstadt - Klick mich
Bund der Steuerzahler: Kommt die Kloster-Katastrophe? - OFFLINE
Zollern-Alb-Kurier: Meßkirch muss nachschießen - OFFLINE
Tribur.de (Geschichte und so Zeugs):  Die Akte Campus Galli - Klick mich
Agis kritischer Bildbericht vom Campus Galli: Klick mich
Tribur.de (Geschichte und so Zeugs): Spiegel Geschichte und der Campus Galli - Klick mich
Mittelalter-Stadt "Campus Galli" - Weniger Besucher, mehr Kritik: Klick mich


18 Kommentare:

  1. Hallo und danke für diese Zusammenfassung. Man scheint beim CG irgendwie nicht zu bemerken, dass man sich selbst ständig widerspricht und die eigenen Ankündigungen nicht erfüllt.
    Hast du schon mal versucht ein Interview mit Geurten zu führen?
    A. Pastewka

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    1. Ja, ganz am Anfang habe ich Herrn Geurten ein paar höflich formulierte Fragen zukommen lassen. Antwort bekam ich darauf keine, so dass nun eben nicht mit ihm, sondern ausschließlich über ihn gesprochen wird.

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  2. Der Vergleich mit dem BER ist sehr treffend!

    - Das Bauprojekt ist vor allem politisch gewolt, die Bevölkerung steht mehrheitlich nicht dahinter
    - Viel zu niedrig angesetzte Baukosten, damit die Öffentlichkeit nicht vor Baubeginn revoltiert
    - Verschiebung des Eröffnungstermins
    - Starke Kostenüberschreitung zulasten des Steuerzahlers
    - Niemand wird bzw. kann strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden

    Typisch Deutschland!

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    1. Typisch Deutschland!

      Das ist hier in Österreich leider nicht anders ;)

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    2. @Bernd
      In AT ist es, wie Richard schon gesagt hat, genauso schlimm. Man google z B nach Skylink + Skandal. Ein anderer Flughafen, die gleiche Misswirtschaft.
      LG,
      Erwin

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    3. @Erwin: Abseits von Flughäfen gibt es hierzulande sogar Negativbeispiele, die dem Campus Galli besonders stark ähneln - siehe etwa die Friesacher Burg:
      Link 1
      Link 2

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  3. "...ich als ehemaliger Journalist..."
    Für welche Zeitung hat Herr G. denn früher gearbeitet? Meines Wissens hat sich der gute Mann in Sachen professioneller Berichterstattung nirgendwo je profiliert, weder im Aachener Raum noch sonstwo.
    Oder weiß jemand Näheres über die journalistischen Highlights aus dem Leben des BG?
    Pablo

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    1. Er soll fürs Radio gearbeitet haben. Da man dazu im Netz scheinbasr nichts finden kann, könnte dies allerdings schon recht lange her sein.

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    2. Wenn hier nur jemand wüsste was da wirklich abgeht bei Galli ...als ex Radiomitarbeiter kann man halt den leuten sahne ums maul schmieren ...mir tun am meisten die Tiere leid ... lg ex-galliarbeiter

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  4. ein super zusammenfassung der situation!! an dieser akribischen recherche und den sorgfältigen hinweisen auf die quellen könnten sich die meisten journalisten ein großes beispiel nehmen! ich finde es wirklich klasse, wie du hier die widersprüche und ungereimtheiten aufzeigst, die sich im Lauf der Jahre aufgetürmt haben. danke für die mühe! fabian (ein steuerzahler)

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    1. Danke für das Lob :)
      Ich muss freilich dazu sagen, dass ich von Menschen unterstützt werde, die mir immer wieder interessante Informationen zukommen lassen.

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  5. großes lob für diesen tatsachenbericht von dir, hiervon könnte sich die örtliche presse eine große scheibe abschneiden, man könnte meinen die hätten alle einen Maulkorb verpasst bekommen.
    hier in deutschland sind wir zwischenzeitlich so weit dass die oberen zehntausend unbekümmert das
    geld von uns bürgern unbestraft zum fenster rausschmeißen können. bürgermeister zwick sollte seinen platz räumen um weiteren finanziellen schaden von den gebeutelten meßkirchern abzuwenden.
    der letzte krieger

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    1. Dankeschön,
      würden die Lokal- und Altmedien ihre journalistischen Aufgaben ernst nehmen, könnte ich mir den Großteil der Berichterstattung zu diesem Thema sparen.

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  6. Was qualifiziert diesen "Herrn Geurten" eigentlich für die Aufgabe ein solches Projekt zu leiten?

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  7. Von wem kommen denn noch Zuschüsse oder andere Gelder außer von der Stadt? Laut dem Artikel in der Schwäbischen hatte CG im letzten Jahr 370000€ Umsatz, davon 170000 Zuschüsse von der Stadt Meßkirch. Wurden die restlichen 200000 allein von dem Geld der Besucher erwirtschaftet, oder ist da noch Geld aus anderen Töpfen (Spenden, Geld vom Förderverein, Zuschüsse oder Darlehen vom Landkreis, Land, Bund, EU) drin, und wenn ja, wieviel?

    - Exilwikingerin -

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    1. Soweit ich weiß ist da auf jeden Fall auch noch die EU drin (Förderungsprogramm "LEADER"), ist aber jetzt keine gesicherte Aussage. Das Programm wäre allerdings auf jeden Fall zuständig, wenn die EU mithilft.

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  8. Hallo hallo,

    Mal ein kleiner Denkanstoß:
    Wenn die hier aufgeführten "Quellen" so verlässlich und sicher sind, warum können sie dann nicht offen gelegt werden? Jemand zu feige?
    Oder ist die hier so hoch gerühmte journalistische Arbeit des Blockbetreibers doch etwas kritischer zu betrachten???

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    1. Die ursprünglich prognostizierten Besucherzahlen des Wirtschaftsplans wurden bei einer öffentlichen Präsentation in Meßkirch herumgereicht und sind daher etlichen Leuten bekannt. Wer mir dieses Material zukommen ließ, tut nichts zur Sache.
      Die restlichen Quellen - hauptsâchlich Interviews bzw. Zeitungsberichte - wurden allesamt im Text des Beitrages verlinkt. Vielleicht bist du so freundlich, das zur Kenntnis zu nehmen.
      Dein "Blockbetreiber"

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