Donnerstag, 18. Juli 2013

Campus Galli - Der Führer zur Karolingischen Klosterstadt Meßkirch, von Erik Reuter

Dieser 64-seitige "Führer" soll dem Interessierten den sogenannten Campus Galli näher bringen. Hierbei handelt es sich bekanntlich um ein Bauprojekt, in dessen Rahmen "mit den Handwerksmethoden des Mittelalters" ein karolingisches Kloster errichtet wird. Erik Reuter, seines Zeichens Autor und Projektberater, schreibt in diesem Zusammenhang scheinbar selbstkritisch:
"Trotzdem kann man die Frage nicht beantworten, ob ein Mensch des 9. Jahrhunderts seine Zeit in unserem Projekt wiedererkennen würde."
Tatsächlich fällt die Beantwortung dieser Frage deutlich leichter, als hier vorgegeben wird - und sie lautet: Nein. Bereits das Layout des vermeintlich mittelalterlichen Bauplatzes widerspricht sowohl den wissenschaftlichen Erkenntnissen wie auch dem gesunden Menschenverstand. So drängen sich die Werkstätten, Ställe und Unterkünfte nicht an einer zentral gelegenen Waldlichtung zusammen, sondern liegen entlang eines idyllischen, weit ausgreifenden Rundweges. Bedenkt man, dass die Menschen des Mittelalters aufgrund feindlicher Umweltbedingungen (wilde Tiere, Räuber) unbedingt auf gegenseitigen Beistand und Schutz angewiesen waren, dann stellt dieses "verteilte Wohnen" eine völlig abwegige Herangehensweise dar. 

Leider ist nicht nur das Projekt selbst mangelhaft, sondern auch das hier besprochene Buch. Vor allem unschöne Wortwiederholungen stechen dem Leser häufig ins Auge. So beginnen beispielsweise auf Seite 13 hintereinander fünf Sätze mit "Der". 
Sprachlich ist dieser "Führer" demnach kein Leckerbissen. Doch wie ist es um den Inhalt bestellt? Nun, die Informationsausbeute bleibt meiner Meinung nach bescheiden. Relativ wenig findet sich, das nicht auch dem Internet entnommen werden kann. Sinnvolle Grafiken oder Architekturzeichnungen sind absolute Mangelware. Stattdessen werden immer wieder Ausschnitte des ohnehin frei zugänglichen Klosterplans von St. Gallen - auf dem das Projekt ja mehr oder weniger beruht - in Szene gesetzt. Die Aussagekraft dieses idealtypischen "Plans" dürfte für den Laien allerdings sehr gering sein. 

Fazit: Wenig Neues und ein ungelenker Schreibstil. Dass ich hier trotzdem 3 von 5 möglichen Punkten vergebe, fasse man bitte als Geste immenser Großzügigkeit auf. 

Inhaltsverzeichnis:
Vorwort
Einführung
Die Umsetzung des Klosterplans
Die Gebäude des Campus Galli
Die Kleidung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter *
Stationen und Handwerker
Wiesen und Äcker
Die Tiere
Der zentrale Bauplatz
Der Markt
Picknickwiese und Spielplatz

* Anmerkung: Diese angeblich "geschlechtergerechte" Schreibweise, hat man in den Texten nicht konsequent durchgehalten - ein Umstand, der der Leserlichkeit durchaus dienlich war ;)

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Externe Beiträge und Artikel:

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Aachener Zeitung: Dunkle Wolken über der Klosterstadt - Klick mich
Bund der Steuerzahler: Kommt die Kloster-Katastrophe? - OFFLINE
Zollern-Alb-Kurier: Meßkirch muss nachschießen - OFFLINE
Tribur.de (Geschichte und so Zeugs):  Die Akte Campus Galli - Klick mich
Agis kritischer Bildbericht vom Campus Galli: Klick mich
Tribur.de (Geschichte und so Zeugs): Spiegel Geschichte und der Campus Galli - Klick mich
Mittelalter-Stadt "Campus Galli" - Weniger Besucher, mehr KritikKlick mich

5 Kommentare:

  1. Dass der Autor Erik, ääh, Reuter, kein naturgegebenes, ääh Kommunikationstalent besitzt, sieht man auch an diesem, ääh Interview:
    http://www.weckup.de/archiv/single/datum/2013/06/09/mittelalterbaustelle.html
    QX



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    1. Ja, die Performance in diesem Interview ähnelt der im Buch.
      Vielleicht sollte Herr Geurten zukünftig nur noch selbst mit den Medien sprechen. Ihm sagt man schließlich nach, er wäre "ein begnadeter Rhetoriker" ;)

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    2. Was ich nicht verstehe: Ständig wird die Wissenschaftlichkeit dieses Baustellenbetriebes betont und dann traut man sich so etwas zu veröffentlichen? Das belegt doch nur die Schludrigkeit, die sich durch das gesamte Projekt zieht.
      Ich denke man merkt hier sehr gut, dass die Betreiber über keine einschlägige Erfahrung verfügen. Und dieser Historiker Reuter ist allem Anschein nach kein Ersatz für den vertriebenen Living-History-Fachmann.

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    3. Das versteh ich schon sehr gut. Mir sind genügend Menschen bekannt, besonders im Living History Bereich, die gerne betonen, wie unheimlich wissenschaftlich und authentisch ihr Vorgehen doch ist, während das objektiv gesehen sehr viel weniger der Fall ist als bei anderen, die das nicht tun. Phrasen wie "Wir arbeiten an uns." oder "Dazu bin ich leider nicht genügend informiert, bitte fragen Sie doch da und da nach. " oder "Wir versuchen unser Bestes und nehmen gerne Ratschläge an" kennen diese Menschen nicht. Ich kann nur vermuten, dass sie selbst nicht einschätzen können, wie sie arbeiten, weil sie sich mit dem Kern der wissenschaftlichen Arbeit, der Recherche nämlich, noch nie beschäftigt haben.

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  2. Fünf Sätzte hinterineinder die mit "der" beginnen.
    Das hört sich für mich an, als ob man am Lektorat gespart hat.

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